»Die Würde des Menschen ist unantastbar« Zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte

Anlage 1 zum Protokoll des 2. Sondierungsgespräches zwischen DIE LINKE Thüringen, SPD Thüringen und Bündnis 90 / Die Grünen Thüringen, 23.09.2014

»Die Würde des Menschen ist unantastbar« Zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte (Sondierungen 2014)

25 Jahre nach der friedlichen Revolution ist für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die SPD als Parteien, die in und aus der Bürgerrechtsbewegung der DDR hervorgegangen sind, ebenso wie für die Partei DIE LINKE die Aufarbeitung der SED-Diktatur in all ihren Facetten weder überflüssig noch rückwärtsgewandt.

Dabei geht es um eine demokratische Kultur von morgen. Für eine Aufarbeitung in die Gesellschaft hinein ist es von Bedeutung festzuhalten: die DDR war eine Diktatur, kein Rechtsstaat.

Weil durch unfreie Wahlen bereits die strukturelle demokratische Legitimation staatlichen Handelns fehlte, weil jedes Recht und jede Gerechtigkeit in der DDR ein Ende haben konnte, wenn einer der kleinen oder großen Mächtigen es so wollte, weil jedes Recht und Gerechtigkeit für diejenigen verloren waren, die sich nicht systemkonform verhielten, war die DDR in der Konsequenz ein Unrechtsstaat.

Daraus erwächst besondere Verantwortung.

Wir vereinbaren deshalb engagierte, auf lange Sicht angelegte Projekte der politischen Bildung in denen die Vergangenheit der DDR vielfältig und beispielhaft für die gesamte Bundesrepublik aufgearbeitet werden. Dabei geht es um eine politische Bildung insbesondere mit dem Ziel der Bildung zur Demokratie.

Das ist nicht gleichbedeutend mit der Herabwürdigung von Biographien, allerdings hat sich jedes Leben in der DDR eben dort abgespielt und nicht im luftleeren Raum.

Wir müssen die enge Sichtweise, hier Täter - immer gleichbedeutend mit einer Zusammen- oder Mitarbeit im Ministerium für Staatssicherheit - und dort Opfer, die nur Opfer sind, wenn sie z.B. inhaftiert waren, erweitern.

Vielmehr geht es um eine konsequente und schonungslose Aufarbeitung der Alltagsdiktatur. Nur so kann Aufarbeitung im gesellschaftlichen Rahmen gelingen, nur so lässt sich für heute daraus lernen. Nicht nur die heute gut dokumentierte Einflussnahme der Staatssicherheit, die „Schild und Schwert der SED“ war, auf den Lebensweg und die Freiheit eines einzelnen Menschen, sondern die unerträgliche Einflussname in alle Bereiche des Lebens in der DDR durch den von der SED geführten Staat, wollen wir aufarbeiten.

Die ostdeutsche Friedensbewegung, Umwelt- und Bürgerbewegungen, kirchliche Gruppierungen sowie die 1989 wiedergegründete, zuvor von der SED unterdrückte und verfolgte Sozialdemokratie haben entscheidend zur friedlichen Revolution in der DDR beigetragen.

Wenn nun 25 Jahre nach der friedlichen Revolution die drei Parteien DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Koalition eingehen, so sind sie sich der Verantwortung bewusst, die aus der jüngeren deutschen Geschichte erwächst.

Wir verständigen uns darauf, nicht mit Organisationen, die das DDR Unrecht relativieren, zusammenzuarbeiten. Die Parteien werden keine Personen, die direkt oder indirekt mit dem Sicherheitssystem der DDR zusammengearbeitet haben, in Positionen dieser Regierung entsenden. Ebenso sollen Menschen, die leugnen, dass die DDR kein Rechtsstaat war, keine Verantwortung in der gemeinsamen politischen Arbeit für Thüringen wahrnehmen. Mit allen, die in der DDR Schuld auf sich geladen haben, diese Schuld aber eingestehen, bekennen und ihren Beitrag zur Aufarbeitung leisten wollen, werden wir zusammenarbeiten.

Vor diesem Hintergrund verständigen sich die Parteien auf verschiedene konkrete

Projekte, die sich den Opfern zuwenden wollen:

  • bei der Unterstützung von Heimkindern, denen schweres Leid und Unrecht widerfahren ist, möchten die Parteien einen großen Schritt vorankommen
  • Förderung von Institutionen der wissenschaftlichen Aufarbeitung der SED-Diktatur an Hochschulen und Forschungseinrichtungen
  • Unterstützung der dezentralen Aufarbeitungsstruktur
  • Finanzielle Besserstellung von Beratungsstrukturen für SED-Opfer
  • Bauliche Ertüchtigung der Thüringer Opferstätten (z.B. Freigangzellen UHA Suhl)