20 Jahre Deutsche Einheit – 20 Jahre Aufarbeitung der SED-Diktatur

Ein Essay von Marianne Birthler

Am Abend des 14. März 2011 endet die zehnjährige Amtszeit von Marianne Birthler als Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik. Heute übergab sie den 'Zehnten Tätigkeitsbericht' der Stasi-Unterlagen-Behörde (BStU) dem Bundestag. Im Vorwort des Berichts zieht sie eine persönliche Bilanz über die Intensität die Aufarbeitung der zweiten Diktatur in Deutschland. Sie beschreibt die BStU als "ein Kind der Bürgerbewegung und des Rechtsstaats" und ermutigt auch zum persönlichen Engagement bei der Aufarbeitung: "Jeder Antrag auf Akteneinsicht ist eine Entscheidung gegen das Schweigen".

Wie weit sind wir mit der Aufarbeitung derSED-Diktatur? – Eine Frage, die 20 Jahre nach dem Ende der DDR so verständlich wie schwer zu beantworten ist. Je nach Perspektive fällt die Bilanz höchst verschieden aus.

Die Autorin, Marianne Birthler, neben ihrem Nachfolger im Amt des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, und ihrem Amtsvorgänger, Joachim Gauck.                                                            

Die Autorin, Marinne Birthler (l.), neben ihrem Nachfolger im Amt des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, und ihr Amtsvorgänger Joachim Gauck vor dem Brandenburger Tor. Das Bild entstand nach der Wahl Roland Jahns durch den Deutschen Bundestag am 28. Januar 2011. Er tritt sein Amt am 15. März an.
Nachweis: Robert-Havemann-Gesellschaft/Frank Ebert



Einerseits lassen sich beachtliche Erfolge benennen: Die Aufarbeitung der zweiten Diktatur in Deutschland ist gesellschaftlich akzeptiert und wird politisch unterstützt. Eine Vielfalt von Institutionen, Vereinen, Initiativen und Gedenkstätten widmet sich der Aufarbeitung der SED-Diktatur. Die Archive wurden weitgehend vor der Vernichtung gerettet und sind zugänglich. Zahlreiche Publikationen belegen einen beeindruckenden Forschungsstand. Viele Opfer wurden rehabilitiert und entschädigt. Millionenfach wurden Beschäftigte im öffentlichen Dienst auf frühere Tätigkeit für das MfS überprüft. Ob Politik, Wirtschaft, Kirchen oder andere gesellschaftliche Bereiche, zumindest gilt für die Spitzenfunktionen eine kompromittierende Vergangenheit als skandalös. Durch die Medien wurden wichtige öffentliche Debatten angeschoben – entgegen weit verbreiteter Meinungen keineswegs nur zu Stasi-Belastungen. DDR-Themen haben Eingang in die Kunst gefunden – Filmemacher, Autoren und bildende Künstler tragen in erheblichem Maße zur Erinnerungskultur bei. Mit der Stasi-Unterlagen-Behörde, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und zahlreichen gesetzlichen Regelungen hat Deutschland international Maßstäbe für den Umgang mit diktatorischer Vergangenheit gesetzt.

Dieser stattlichen Bilanz stehen beunruhigende Befunde und Entwicklungen gegenüber: Opfer wurden zwar entschädigt. Viele von ihnen, insbesondere jene, deren Gesundheitszustand durch Haft und Verfolgung beeinträchtigt ist oder denen eine berufliche Entwicklung versagt blieb, leben heute aber in prekären Verhältnissen. Als besonders bitter wird dies angesichts der Tatsache empfunden, dass sich ihre früheren Peiniger ansehnlicher Ruhestandsbezüge erfreuen. Als ungerecht wird auch erlebt, dass sich von jenen, die früher als Stasi-Offiziere, Richter, Parteifunktionäre oder Heimerzieher Teil des Unterdrückungssystems waren, kaum jemand vor Gericht zu verantworten hatte. Nicht wenigen von ihnen ist es gelungen, neue Karrieren zu starten oder in der Politik zu reüssieren. Selten kommt es vor, dass sich jemand öffentlich wahrnehmbar zu seinen Verfehlungen bekennt oder um Verzeihung bittet. Besorgniserregend sind auch manche Befragungen, die nicht nur einen weit verbreiteten Mangel an Wissen über die SED-Diktatur offenbaren, sondern auch eine Verharmlosung der Diktatur bezeugen – ebenso wie eine mangelnde Wertschätzung demokratischer Verfahren und Institutionen.

„Die Aufarbeitung der Aufarbeitung hat begonnen“

Die unterschiedlichen Sichten auf den Umgang mit der DDR-Vergangenheit werden 20 Jahre nach dem Ende der Diktatur stärker diskutiert denn je. Während die einen eine durchweg negative Bilanz ziehen, ja, die Aufarbeitung sogar als gescheitert bezeichnen, präsentieren sie andere als erfolgreich und modellhaft. Die jüngst vom Brandenburger Landtag eingesetzte Enquete-Kommission „Aufarbeitung der Geschichte und Bewältigung von Folgen der SED-Diktatur und des Übergangs in einen demokratischen Rechtsstaat im Land Brandenburg“ hat die Aufgabe, den Transformationsprozess in Brandenburg und damit auch die Frage nach dem Umgang mit der Vergangenheit zu untersuchen. Für die Ergebnisse werden sich nicht nur die Brandenburger interessieren: Die Aufarbeitung der Aufarbeitung hat begonnen.
Eine „Aufarbeitung der Aufarbeitung“ im umfassenden Sinne beschränkt sich nicht auf die Rekonstruktion von Debatten und Entscheidungen, sie bewertet auch. Es liegt in der Natur der Sache, dass solche Bewertungen subjektiv, manchmal interessengeleitet erfolgen. Leider dienen sie zu oft auch als Instrument in parteipolitischen Kämpfen.

"Deutschstunde" mit europaweiter Dimension. Schüleraktion an der Berliner Mauer am 13. August 1986 nahe dem Potsdamer Platz.
Nachweis: Foto: BStU/Kulick

Mit diesem Problem sind die Deutschen nicht allein. Die Frage, was Menschen, was Gesellschaften nach dem Ende einer Diktatur brauchen, ist zunehmend Gegenstand auch des internationalen Diskurses. Dabei zeigt sich, dass ethische, kulturelle und politische Standards von großer Bedeutung sind. Begriffe wie Menschenrechte, Versöhnung, Wahrheit, aber auch Schuld, Gewalt oder Vergeltung werden unterschiedlich interpretiert und nicht selten werden Menschenrechtsverletzungen oder der Verzicht auf deren Bestrafung mit dem Argument verteidigt, dass es in anderen Ländern eben ein anderes Verständnis davon gäbe als in Deutschland oder in Europa.
Auch der Rückblick auf 20 Jahre Aufarbeitung der SED-Diktatur erfolgt nicht neutral, sondern geht von bestimmten Prämissen aus. Wer Wahrheit und Gerechtigkeit als grundlegende Werte anerkennt, bewertet die 20-jährige Aufarbeitung der SED-Diktatur anders als jene, die um einer falsch verstandenen Versöhnung willen den Mantel des Schweigens über Gewalt und Unrecht breiten und Verantwortung nicht benennen wollen.

Überhaupt scheint Versöhnung das Zauberwort zu sein, wenn die Auseinandersetzung mit verübtem Unrecht und der Schmerz der Erinnerung lästig werden. Um der Versöhnung willen müsse es 20 Jahre nach dem Ende der SED-Diktatur doch genug sein mit dem Aufrechnen und dem Streiten. Um der Versöhnung willen dürfe die Partei, die als SED verantwortlich für das Diktaturunrecht war, wieder Macht ausüben. Um der Versöhnung willen dürfe man denjenigen, die die Diktatur unterstützt haben, dies nicht länger vorhalten. Abgesehen davon, dass der immer wieder bemühte „Schlussstrich“ nicht funktioniert, weil Menschen sich das Nachfragen und Diskutieren nicht verbieten lassen, offenbaren solche Vorstöße die Unkenntnis dessen, was Versöhnung meint und was sie zur Voraussetzung hat. Freilich können politische, kulturelle und vor allem rechtliche Rahmenbedingungen die Bereitschaft zur Versöhnung fördern. Versöhnung ereignet sich aber letztlich zwischen Menschen und nicht durch politische Entscheidungen. Maßstab für alle Bemühungen um Versöhnung muss sein, was den Opfern und den ehemals Benachteiligten dazu verhelfen kann, ihren Frieden wiederzufinden – und nicht das Ruhebedürfnis der Mehrheitsgesellschaft. Dass Versöhnung Wahrheit und Wahrhaftigkeit im Umgang mit der Vergangenheit voraussetzt, versteht sich von selbst: Das Geheimnis der Versöhnung, so Elie Wiesel, ist Erinnerung.

„Reden statt Schweigen“

Erinnern statt Verdrängen. Aufklären statt Beschönigen. Reden statt Schweigen. Die Institutionen und Vereine, die sich der Aufarbeitung der SED-Diktatur widmen, gehen wie die entsprechenden vom Bundestag verabschiedeten Gesetze zumeist auf das bürgerschaftliche Engagement der Ostdeutschen zurück und fanden dann entschiedene Unterstützung durch Parlamente und Regierungen.
Ein herausragendes Beispiel dafür sind die Enquete-Kommissionen der 1990er-Jahre. Der erste gesamtdeutsche Bundestag beschloss auf Initiative vor allem von ostdeutschen Abgeordneten am 12. März 1992 die Bildung einer Enquete-Kommission „Zur Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“. In seiner letzten großen Rede im Bundestag mahnte der frühere Bundeskanzler Willy Brandt, die Enquete-Kommission dürfe im Zusammenwachsen von Ost und West nicht den „Mantel des Verschweigens über gravierendes Unrecht“ breiten. Aufklärung und Aufarbeitung der Geschichte seien „eine gesamtdeutsche Aufgabe und Beitrag zur Versöhnung“. Der Bericht der ersten Kommission umfasste rund 300 Seiten sowie Protokolle und Expertisen mit einem Umfang von rund 15 000 Seiten – ein bis heute unverzichtbares Reservoir von Fakten und Reflexionen, das im Übrigen die Auffassung widerlegt, die Aufarbeitung hätte sich von Beginn an einseitig auf das Stasi-Thema konzentriert. Am 17. Juni 1994 wurde der Bericht der Kommission vom Bundestag beraten und von allen Fraktionen – mit Ausnahme der PDS – begrüßt.
Eine zweite Kommission wurde eingesetzt und legte ihren Bericht am 8. Oktober 1997 vor. Zugleich wurde die Gründung einer bundeseigenen Stiftung beschlossen, die langfristig die Auseinandersetzung mit der Geschichte und den Folgen der SED-Diktatur fördern solle. Im November 1998 nahm die „Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ ihre Arbeit auf. Sie fördert und berät Aufarbeitungsprojekte, sichert und sammelt Materialien und Dokumente, publiziert, organisiert Veranstaltungen und leistet dauerhaft einen wesentlichen Beitrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

„Teilweise dem Westen abgetrotzt“

Auch die Öffnung der Archive (nicht nur) des Staatssicherheitsdienstes, viele Gedenkstätten und Lernorte zur SED-Diktatur und nicht zuletzt die vom Bundestag verabschiedeten Gesetze zur Rehabilitierung und zur sogenannten Opferrente verdanken sich überwiegend dem entschiedenen Handeln der Ostdeutschen, insbesondere der Bürgerbewegung. Teilweise mussten sie dem Westen regelrecht abgetrotzt werden. Trotz anfänglicher Zurückhaltung insbesondere der damaligen Bundesregierung kann sich das Bemühen um Aufarbeitung seit den 1990er-Jahren auf politische Mehrheiten stützen, die bis heute stabil sind. Die bisherigen Bundestage und Bundesregierungen haben bislang nie einen Zweifel daran gelassen, dass sie die Aufarbeitung der SED-Diktatur unterstützen.
Es spricht einiges dafür, dass diese frühen Entscheidungen mit den Lehren aus der Nachkriegszeit zu tun haben. Viele Deutsche, darunter nicht wenige heutige Entscheidungsträger, haben unter Schmerzen gelernt, dass es besser ist, sich zu erinnern, als Leid und Unrecht zu verschweigen und zuzudecken. Nicht noch einmal sollten die Opfer jahrzehntelang auf ihre Genugtuung warten, nicht noch einmal sollten die früheren Eliten ihre Karriere ungehindert fortsetzen können. Möglicherweise war es das Aufeinandertreffen dieser Lehren und der ostdeutschen Aufarbeitungsinitiativen, das es möglich machte, die notorischen gesellschaftlichen und politischen Widerstände zu überwinden, auf die Aufarbeitungsbemühungen nach dem Ende von Diktaturen regelmäßig treffen. Trotz vieler beklagenswerter Defizite und Umstände lässt sich – nicht zuletzt im internationalen Vergleich – heute feststellen, dass die Deutschen sich gegen das Beschweigen und Vergessen entschieden haben.

Aber der Umgang mit der SED-Diktatur und ihren Folgen war von Anfang an auch umstritten und ist es bis heute. Es gab und gibt Widerstände dagegen, keineswegs nur von Akteuren und Profiteuren des DDR-Systems. Und manche Fehlentwicklung, die uns heute zu schaffen macht, geht auf falsche Einschätzungen oder handfeste Interessenpolitik der ersten Monate und Jahre zurück.

Protest gegen die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) im Herbst '89 in Ost-Berlin

Misstrauen prägte die Friedliche Revolution: Protest gegen die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) im Herbst '89 in Ost-Berlin
Nachweis: Foto: BStU/Kulick



Der friedliche Abschied von der Diktatur hatte seinen Preis. Ein Verbot der SED wurde nie ernsthaft erwogen. Für Obristen der Staatssicherheit wurde eine grundsätzliche Straffreiheit gewährt. Unter dem Schutz der Modrow-Regierung und während der mühseligen Konsenssuche am Runden Tisch hatten die früheren Machthaber und viele ihrer Protagonisten reichlich Zeit, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen. Man versorgte einander mit Finanzmitteln, mit Immobilien oder auch Anwaltszulassungen.
Auch manche Bundespolitiker hielten es für schädlich, sich allzu intensiv mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Der Blick zurück, so hieß es, würde die Gesellschaft spalten, den inneren Frieden gefährden und unnötig viel Energie, die für den Aufbau im Osten nötig wäre, binden. Der Einigungsvertrag sah weder eine Öffnung der Stasi-Unterlagen noch eine konsequente personelle Erneuerung im öffentlichen Dienst vor. Einzig für ehemalige Stasi-Mitarbeiter gab es ein Sonderkündigungsrecht. Bund und neue Länder übernahmen großzügig Personal aus der DDR-Administration in die neuen Verwaltungen. Strafverfolgung für DDR-Unrecht durfte nur nach der jeweils milderen Rechtsordnung von Bundesrepublik oder DDR erfolgen. In der Konsequenz hatten sich – soweit noch Beweise vorhanden waren – Westspione des MfS vor Gericht zu verantworten, aber niemals ein Stasi-Offizier für die durch ihn begangenen Menschenrechtsverletzungen. Die großen Verlage wetteiferten darum, die auflagenstarken Bezirksorgane der SED aufzukaufen, setzten neue Chefredaktionen ein und arbeiteten ansonsten ungerührt mit den früheren SED-Redakteuren zusammen. Die kleineren Blockparteien wurden von CDU und FDP aufgesogen und waren damit der Verpflichtung entledigt, sich zu ihrer Mitverantwortung für die Diktatur zu bekennen. Die Gründer der ostdeutschen SPD konnten nur mit Mühe dem Druck ihrer westdeutschen Genossen widerstehen, die von ihnen forderten, die Türen der Kreisverbände weit für frühere SED-Mitglieder zu öffnen – wo diese natürlich sofort die Mehrheit gebildet hätten.

„Wer sich nicht bewegt, spürt keine Ketten“

Für manche Menschen scheint die DDR im Rückblick immer schöner zu werden. Vor dem Hintergrund persönlicher Erinnerungen wird ein menschenfreundliches, gerechtes und friedliches Land fantasiert, das es nie gegeben hat. Die Schicksale derer, deren Freiheit eingeschränkt wurde, die diskriminiert und benachteiligt wurden, weil sie sich dagegen wehrten, werden nicht wahrgenommen oder als Randphänomen betrachtet. Die alltäglichen Zumutungen der Diktatur werden von vielen Menschen nicht mehr als solche empfunden.
Das ist erstaunlich. Immerhin hatten doch die SED und ihr Kettenhund „Stasi“ – für alle sichtbar – dafür gesorgt, dass es kein Recht auf Informationsfreiheit, Versammlungsfreiheit oder Meinungsfreiheit gab.
Aber wo der Freiheitswille verkümmert oder von Resignation und Angst überlagert ist, werden die Grenzen verdrängt: Wer sich nicht bewegt, spürt keine Ketten.

Zunehmend versuchen frühere MfS-Mitarbeiter heute öffentlich, ihre frühere Tätigkeit als rechtskonform und als normale Geheimdiensttätigkeit zum Schutz der Bürger darzustellen. Die Zahl entsprechender Buchvorstellungen, Talkshowauftritte und ähnlicher Aktionen ist groß und erfährt gelegentlich auch Unterstützung durch Politiker der Linken. So übersandte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, Ulla Jelpke, zur jährlichen Tagung ehemaliger Mitarbeiter der DDR-Auslandsaufklärung im Mai 2010 ein Grußwort, in dem sie deren „mutigen Einsatz für den Frieden“ würdigt und beklagt, dass „Viele von Euch … nach dem Ende der DDR mit Gefängnis bestraft“ worden seien.

Von größerer Bedeutung als diese zahlenmäßig begrenzten Zirkel alter Männer dürften gesellschaftliche Strömungen und Äußerungen aktiver Politiker sein, die nach wie vor den Kommunismus im Allgemeinen und die DDR im Besonderen als den legitimen, wenn auch fehlerbehafteten Versuch sehen, eine humanere Gesellschaft aufzubauen. Die Millionen Toten, Vertriebenen, Entrechteten und Eingekerkerten, die auf das Konto dieses Großversuchs in Europa, der Sowjetunion, China, Kambodscha, Nordkorea oder Kuba gehen, werden ignoriert, Vergleiche mit der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft in Europa als Versuch zurückgewiesen, deren Gräuel zu relativieren. Die Angst vor einer Relativierung des Nationalsozialismus ist ein fatales Bündnis mit immer noch virulenten kommunistischen Erlösungsideen eingegangen.
Die Erinnerungen an die nationalsozialistische und die kommunistische Herrschaft stehen in Deutschland in einem manchmal schmerzhaften Spannungszustand zueinander. Die Befürchtung, die Gräuel der NS-Zeit würden relativiert, spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Kränkung der SED-Opfer, ihre Leiden würden vor dem Hintergrund der NS-Verbrechen nicht wahrgenommen.

„Ein gesamtdeutsches Thema“

Dies ist keineswegs ein rein ostdeutsches Problem, auch wenn die Konkurrenz der beiden Erinnerungswelten dort besonders aufeinandertrifft, beispielsweise in jenen früheren Gefängnissen und Lagern, die nacheinander von den Nationalsozialisten und den Kommunisten benutzt wurden. Auch viele westdeutsche Intellektuelle misstrauen der Aufarbeitung der SED-Diktatur. Sie, deren politische Sozialisation eng mit der Aufarbeitung des Nationalsozialismus verknüpft war, sehen in ihr geradezu eine Bedrohung ihrer Identität, erst recht, wenn sie sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, jahrzehntelang auf dem linken Auge blind gewesen zu sein.

Marianne Birthler am 10.3.2011 vor der Bundespressekonferenz

"Es ist also keine Frage der ost- oder westdeutschen Herkunft, die die Haltung zur DDR bestimmt"; Marianne Birthler am 10.3.2011 vor der Bundespressekonferenz in Berlin
Nachweis: Foto: BStU/Kulick



Es ist also keine Frage der ost- oder westdeutschen Herkunft, die die Haltung zur DDR bestimmt. Schließlich standen sich auch in der Revolution von 1989 nicht Ost und West gegenüber, sondern Menschen, die die Freiheit wollten und jene, die sie fürchteten. Der Blick auf das geteilte Deutschland und auf die DDR ist nicht nur von den eigenen Lebenserfahrungen abhängig, sondern vor allem davon, welchen Rang Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der persönlichen Wertehierarchie eines Menschen einnehmen.
Wer heute den Finger in die Wunde legt und nicht nur die wirtschaftlichen, sondern auch die gesellschaftlichen Schäden benennt, die das jahrzehntelange Verharren in Unfreiheit zur Folge hat, bekommt es mit wütenden Reaktionen zu tun. Schnell ist von arroganter und ignoranter – zumeist westlicher –Besserwisserei die Rede, von Angriffen auf die Lebensleistungen der Ostdeutschen und von Demütigungen.

Das Verhältnis zu Freiheit und Demokratie begründete im geteilten Deutschland Kontroversen und unterschiedliche Wertungen – quer zur Demarkationslinie. Bis heute scheint dies die wahre Mauer in den Köpfen zu sein – und diese Mauer wird uns länger zu schaffen machen als jeder Ost-West-Konflikt. „Man kann eine Weile ohne Einheit sein, unerträglich aber ist ein Dasein ohne Freiheit“ – so Walter Dirks.
Die Konkurrenz zwischen dem Erinnern an den Nationalsozialismus und an den Kommunismus zeigt unter anderem, dass es in den zurückliegenden 20 Jahren zumindest in Deutschland nicht gelungen ist, eine angemessene Haltung gegenüber beiden totalitären Katastrophen des 20. Jahrhunderts zu entwickeln. Das ist bedenklich, denn solange eine Gesellschaft nicht fähig ist, die Folgen totalitären Denkens und diktatorischer Systeme wahrzunehmen, wird sie, besonders in unsicheren Zeiten, anfällig dafür bleiben.

„Die internationale Dimension darf nicht fehlen“

In einer Bilanz der Aufarbeitung über zwei Jahrzehnte darf die internationale Dimension nicht fehlen. So, wie der Westen noch um einiges davon entfernt ist, die DDR als Teil deutscher Geschichte anzusehen, scheint auch die Geschichte der ehemals kommunistisch beherrschten Länder Mittel- und Osteuropas von Paris, Stockholm oder Rom aus gesehen noch nicht zum europäischen Geschichtsbild zu gehören.
Als Jorge Semprún als ehemaliger Häftling des KZ Buchenwald in Weimar eine Rede anlässlich des 60. Jahrestags der Befreiung der Konzentrationslager hielt, sprach er dieses Problem an:
„Der kürzlich erfolgte Beitritt von zehn neuen Ländern aus Mittel- und Osteuropa – dem anderen Europa, das im sowjetischen Totalitarismus gefangen war – kann kulturell und existentiell erst dann wirksam erfolgen, wenn wir unsere Erinnerungen miteinander geteilt und vereinigt haben werden. Hoffen wir, dass bei der nächsten Gedenkfeier in zehn Jahren, 2015, die Erfahrung des Gulag in unser kollektives europäisches Gedächtnis eingegliedert worden ist. Hoffen wir, dass neben die Bücher von Primo Levi, Imre Kertész oder David Rousset auch die ‚Erzählungen aus Kolyma‘ von Warlam Schalamow gerückt wurden. Das würde zum einen bedeuten, dass wir nicht länger halbseitig gelähmt wären, zum anderen aber, dass Russland einen entscheidenden Schritt auf dem Weg in die Demokratisierung getan hätte.“

Ausstellung in Warschau über die 'besiegten' Geheimpolizeien Osteuropas, 2010

Ausstellung in Warschau über die 'besiegten' Geheimpolizeien Osteuropas, 2010
Nachweis: Foto: BStU/Kulick



Die zehn Jahre, von denen Semprún sprach, sind zur Hälfte um. Wenn seine Vision Wirklichkeit werden soll, muss noch viel passieren. Aber immerhin hat die Debatte über die kommunistische Vergangenheit inzwischen die europäische Ebene erreicht. Die mit der Hinterlassenschaft der Geheimpolizeien befassten Aufarbeitungsinstitutionen mehrerer Länder haben sich zu einem Netzwerk zusammengeschlossen, mehrere Anhörungen auf europäischer Ebene widmeten sich den kommunistischen Verbrechen in Europa, die Zahl internationaler Veranstaltungen, Tagungen und Publikationen zum selben Thema hat zugenommen und schließlich hat das Europäische Parlament im April 2009 den bevorstehenden 70. Jahrestag des Hitler-Stalin-Paktes zum Anlass genommen, in einer Entschließung die Auseinandersetzung mit dem Kommunismus einzufordern und vorgeschlagen, den 23. August zu einem europäischen Gedenktag zu machen.
Immerhin also scheint nach 20 Jahren ein Anfang gemacht worden zu sein.

„Die BStU - Ein Kind der Bürgerbewegung und des Rechtsstaats“

In Deutschland, aber auch international, hat besonders eine Institution viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen: die Stasi-Unterlagen-Behörde oder präzise „Die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR“. Auch ihr Zustandekommen verdankt sich bürgerschaftlichem Engagement: Noch in den ersten Monaten der Revolution, im Winter 1989/90, besetzten auf Initiative der Bürgerbewegung Menschen die Dienststellen des MfS, um dem Treiben des Staatssicherheitsdienstes ein Ende zu bereiten und die Vernichtung der Akten zu stoppen. Die erste frei gewählte Volkskammer der DDR beschloss, die Akten zu öffnen, und in einer zweiten Besetzung der Stasi-Zentrale im September 1990 setzte die Bürgerbewegung durch, dass die Akten auch im vereinten Deutschland zugänglich bleiben würden.
Doch die BStU ist nicht nur Kind der Bürgerbewegung, sondern auch des in der Bundesrepublik gewachsenen Rechtsstaats. Dieser Verbindung ist es zu verdanken, dass trotz des liberalen Aktenzugangs die Persönlichkeitsrechte Betroffener strikt gewahrt bleiben und dass die Stasi-Unterlagen-Behörde vor politischen Eingriffen geschützt, materiell und rechtlich abgesichert ist und der parlamentarischen Kontrolle unterliegt.
Für die Korrektur einiger fataler Fehlentscheidungen war es zum Zeitpunkt der Gesetzgebung allerdings schon zu spät: Im Februar 1990 zum Beispiel beschloss der Runde Tisch die Vernichtung der magnetischen Datenträger des MfS, die personenbezogene Dateien enthielten. Angeblich seien alle Daten in Papierform noch einmal vorhanden, hieß es. Dies war falsch. Der Datenverlust ist groß und bis heute nicht genau abzuschätzen.
Das Hauptbedenken gegen die Öffnung der Stasi-Unterlagen war die Vermutung, sie würde das gesellschaftliche Klima dauerhaft vergiften. Diejenigen, die Details über ihre Bespitzelung und die Namen derjenigen erführen, die Informationen über sie weitergegeben hätten, würden in ihrer Wut zu äußersten Mitteln greifen. Das hinter dieser Befürchtung stehende Bild von unreifen Bürgerinnen und Bürgern, die mit schmerzhaften Erkenntnissen nicht umgehen können, wurde in der Praxis widerlegt: Es sind keine Fälle bekannt, in denen Opfer nach der Lektüre der Unterlagen ihren Verrätern an den Kragen gingen.

Beim Studium von Stasi-Akten im Lesesaal der BStU

Beim Studium von Stasi-Akten im Lesesaal der BStU
Nachweis: Foto: BStU/Kulick



Obwohl die Einsicht in die eigene Akte schwierig und schmerzlich ist, hat eine beeindruckende Zahl von Menschen diesen Schritt getan: Inzwischen haben mehr als 1,7 Millionen Menschen einen Antrag auf Akteneinsicht gestellt.
Akteneinsichten sind ein sehr persönlicher Vorgang, sind Teil einer individuellen Verarbeitung der Vergangenheit. Nicht selten wird diese Auseinandersetzung als Wiederaneignung der eigenen Geschichte und als befreiend erlebt. Insbesondere die Opfer von Verfolgung und Zersetzung erhalten endlich Gewissheit darüber, was ihnen widerfahren ist. Freilich tut es weh, vom Verrat durch nahestehende Menschen zu erfahren. Dennoch scheint diese Gewissheit auf die Dauer erträglicher zu sein als Unsicherheit oder Verdächtigungen. Die Akteneinsicht beendet oft das diffuse Misstrauen, das eine Begleiterscheinung des Lebens in der Diktatur ist.
Über die individuelle Wirkung hinaus haben diese Einsichtnahmen eine gesellschaftliche Relevanz: Es hat sich herumgesprochen, dass die Verbrechen des MfS offenbar werden, dass die Täter beim Namen genannt werden und jedermann das Recht hat zu erfahren, wie der Staatssicherheitsdienst in sein Leben eingriff.

„Jeder Antrag auf Akteneinsicht ist eine Entscheidung gegen das Schweigen“

Was auch immer sich über den Einzelnen in den Archiven findet – mehrere Bände oder nur eine Karteikarte – allein die Entscheidung, einen Antrag zu stellen, gehört zum Prozess der Aufarbeitung. Die erfolgte Akteneinsicht ist wiederum ein Impuls, das Gelesene und die dabei erlebten Gefühle anderen mitzuteilen und damit zu verarbeiten.
Schon im Vorfeld der ersten freien Volkskammerwahl wurden Forderungen laut, politische Amtsträger, Abgeordnete und das Personal im öffentlichen Dienst zu überprüfen. Die Überprüfung verdeutliche den klaren Schnitt mit der Vergangenheit, hieß es. Außerdem sei gewährleistet, dass Amtsträger nicht durch Anschuldigungen erpressbar seien, weil sie nachweisen könnten, dass sie unbelastet seien.
Diese Argumentation setzte sich durch, das Gesetz sah zunächst für einen Zeitraum von 15 Jahren die Möglichkeit der Überprüfung von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst und von politischen Funktionsträgern vor.
Seitdem wurden im Zusammenhang von Überprüfungen im öffentlichen Dienst rund 1,75 Millionen Ersuchen bearbeitet, fast ausschließlich aus den neuen Bundesländern. Schwierigkeiten entstanden oft, wenn die Befunde aus den Akten interpretiert werden mussten und es darum ging, rechtliche und moralische Maßstäbe für den Umgang mit belasteten Mitarbeitern zu entwickeln. Alles in allem lässt sich sagen, dass in den allermeisten Fällen sorgfältige Einzelfallprüfungen erfolgt sind – eine Notwendigkeit, auf die die Behörde bei allen sich bietenden Gelegenheiten hinweist.
Rund 280 000 Menschen standen 1989 hauptamtlich oder inoffiziell im Dienst des MfS. Das ist viel für ein so kleines Land. Aber diese Zahl – knapp 2 Prozent der Bevölkerung – zeigt zugleich, dass die DDR kein Volk von Spitzeln und Verrätern war.
Für die wissenschaftliche Aufarbeitung der SED-Diktatur sind die Akten des MfS unverzichtbar: Sie geben nicht nur Auskunft über seine Arbeitsweise, sondern erlauben Erkenntnisse zu den allgemeinen Machtstrukturen der DDR und nahezu allen Bereichen des Lebens.
Die wissenschaftliche Aufarbeitung und die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Forschungsergebnisse waren dem Gesetzgeber so wichtig, dass er beides als Aufgaben der Behörde definiert hat. Mit einer großen Anzahl von Veröffentlichungen, Tagungen, Ausstellungen und Veranstaltungen nimmt die Behörde diese Aufgabe wahr. Besonderes Augenmerk wurde dabei in den vergangenen Jahren der historisch-politischen Bildungsarbeit mit Schulen zuteil.

Bürgerprotest auf dem Hof der DDR-Staatssicherheit am 15. Januar 1989 in Ost-Berlin

Couragierte Bürger sichern die Akten der DDR-Geheimpolizei 'Stasi': Demonstranten auf dem Hof der DDR-Staatssicherheit am 15. Januar 1990 in Ost-Berlin
Nachweis: Foto: BStU/Kulick



Dieser Bildungsauftrag der Behörde gilt bundesweit – und ist mit einem nicht zu unterschätzenden Problem verknüpft: Während es in den ostdeutschen Ländern mit den Außenstellen der BStU, den Landesbeauftragten, den Gedenkstätten und den privaten Aufarbeitungsinitiativen zahlreiche Anlaufpunkte für Interessierte gibt, existiert dergleichen in den alten Bundesländern nicht. Von besonderer Bedeutung sind deshalb die Bemühungen, DDR-Themen auch dort anzubieten, wo es keine „Aufarbeitungs-Infrastruktur“ gibt. In diesem Zusammenhang spielt die Wanderausstellung der BStU „Feind ist, wer anders denkt“, die vor allem in westdeutschen Großstädten gezeigt wird, eine wichtige Rolle, ebenso wie die zahlreichen Kooperationen, die es mittlerweile mit Landeszentralen für politische Bildung und anderen Bildungsträgern gibt.
Die Anzahl von Anträgen externer Forscher und von Medienvertretern bei der BStU steigt von Jahr zu Jahr, insbesondere im Zusammenhang wichtiger Jahrestage wie dem 50. Jahrestag des Volksaufstandes 1953 oder dem 20. Jahrestag der Revolution von 1989.
Nicht unerwähnt sollen Romane und Erzählungen, Filme und Theaterstücke bleiben, die sich mit künstlerischen Mitteln dem Thema DDR widmen. Interessanterweise machten zuerst Bücher und Filme von sich reden, die die DDR ins Lächerliche zogen. Inzwischen ist diese Mode einer eher ernsthaften Beschäftigung gewichen.

„Die Täter wurden delegitimiert, ihre Legenden widerlegt“

Der vor 20 Jahren durchaus umstrittenen Entscheidung, die Akten der Geheimpolizei der DDR – und andere wichtige Quellen – zu öffnen, sind wesentliche Beiträge zur Erinnerungskultur im vereinten Deutschland zu verdanken: Die intellektuelle Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur wurde gefördert, der Repressionsapparat, seine Mechanismen und Wirkungsweisen wurden transparent, unzählige Opfer wurden in die Lage versetzt, ihr Leben zu rekonstruieren und sich ihr Recht zurückzuholen. Die Täter wurden delegitimiert, ihre Legenden widerlegt. Für Bildung und Kunst stehen wertvolle Quellen zur Verfügung, die die Empathie mit den Opfern ermöglichen und dazu dienen, Maßstäbe für integeres Verhalten zu entwickeln und Unrecht zu benennen.
Der Aufarbeitungsdiskurs in Deutschland hat sich in dieser Zeit verändert. Die serienweisen spektakulären Enthüllungen sind vorbei. Die Beschäftigung mit der DDR ist Teil eines selbstverständlichen Diskurses geworden. Dem entspricht eine stärkere Regionalisierung der Aufarbeitung, die Aufmerksamkeit für einzelne Schicksale und zunehmend auch die Frage nach der Wiedereingliederung und Bewährung ehemaliger Täter. Immer wieder neue Themen beschäftigen die Öffentlichkeit und wollen auch künftig erforscht werden – jüngste Beispiele dafür sind das Heimerziehungssystem der DDR und die an Kindern und Jugendlichen verübten Menschenrechtsverletzungen in Jugendwerkhöfen.

Parole eim Sturm auf die Stasi am 15. Januar 1990 in Ost-Berlin

"Genug gespitzelt jetzt" - Parole beim Sturm auf die Stasi am 15. Januar 1990 in Ost-Berlin
Nachweis: Foto: BStU/Kulick



Die Stasi-Unterlagen-Behörde hat seit ihrer Gründung dazu beigetragen, dass die Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit selbstverständlich zum Kanon gesellschaftlich relevanter Themen gehört. Wie weit sie mit ihrem Wirken zu einer demokratischen, freiheitlichen Kultur und zur Sensibilisierung der Menschen für totalitäre Gefährdungen beigetragen hat, kann erst die Zukunft zeigen.


Ein fortbestehender Bildungs- und Aufarbeitungsauftrag

Zweifellos werden die Akten auch künftig eine der wichtigsten Quellen für die DDR-Forschung sein, weit über MfS-Themen im engeren Sinne hinaus. Und dass sich der Bildungs- und Aufarbeitungsauftrag der Behörde noch lange nicht erledigt hat, bedarf keiner ausführlichen Begründung.
Es ist deshalb von großer Bedeutung, dass das Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung, das sich der Deutsche Bundestag zu eigen gemacht hat, die Bedeutung der Arbeit der Stasi-Unterlagen-Behörde betont.

Im Berichtszeitraum hat sich die Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages darauf verständigt, dass die BStU in ihrer derzeitigen Organisationsform noch bis mindestens 2019 bestehen bleiben solle. Dies unterstrich Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert noch einmal in seiner Festrede bei der Gedenkveranstaltung der BStU am 1. Oktober 2010, die an die Auseinandersetzungen um die Öffnung der Stasi-Akten vor 20 Jahren erinnerte. Solange es Opfer des Staatssicherheitsdienstes und Täter gebe, „muss es den Anspruch auf Aufarbeitung geben“, sagte Lammert. Deshalb sei es wichtig, dass die Arbeit der BStU „bis 2019 im Wesentlichen in den gegebenen Strukturen“ erfolge.

Mit diesen politischen Vorgaben hat die Behörde den Planungs- und Handlungsspielraum, der für die Erfüllung ihrer Aufgaben in den nächsten Jahren von großer Bedeutung ist.


Marianne Birthler, Berlin, im März 2011


Der Zehnte Tätigkeitsbericht der BStU, veröffentlicht am 10. März 2011

Der Zehnte Tätigkeitsbericht der BStU, veröffentlicht am 10. März 2011
Nachweis: BStU


Obiger Text ist dem Zehnten Tätigkeitsbericht der Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Ministeriums für Staatssicherheit der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik" entnommen, der am Mittag des 10. März 2011 dem Deutschen Bundestag übergeben wurde. Hier zum DOWNLOAD die PDF-Version. Ergänzend dazu ist eine kostenlose Multimedia-DVD-ROM über Arbeit und Geschichte der BStU erschienen.