Rede von Gerd Peter Leube (VOS e. V., Bezirksgruppe Erfurt)

Sehr geehrte Anwesende!

Als Vertreter unserer zahlenmäßig leider immer kleiner werdenden Erfurter Vereinigung der Opfer des Stalinismus e.V. möchte ich ihnen anlässlich der Eröffnung der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße Gruß und Dank übermitteln.

Dieser Gedenkort hat lange auf sich warten lassen, doch das Sprichwort: „Was lange währt, wird endlich gut“ berechtigt zu Zuversicht.

Es sind aber auch heute noch teilweise unterschiedliche Ansichten zur endgültigen Gestaltung vorhanden. Da die Stätte aber noch im Wachsen ist, sollten wir darauf achten, dass sie nicht überfrachtet wird und die authentischen Erinnerungen der politischen Häftlinge angemessen berücksichtigt werden.

Besonders jungen Menschen heute zu erklären, warum die DDR so schmählich untergegangen ist, ist nicht einfach.

Ich habe mir in den Jahren nach der friedlichen Wiedervereinigung der beiden deutschen Teilstaaten auf die Frage, warum das eine System scheitern musste, eine Kurzformel einfallen lassen.

Sie lautet: „Die DDR ist an ihren vielen Lügen erstickt“

Natürlich ist das wissenschaftlich nicht korrekt, dafür gibt es aber die Beispiele im Feinkonzept zum Aufbau der Bildungsstätte. Typisch ist beispielsweise die Behandlung des ersten nach 1945 frei gewählten Erfurter Oberbürgermeisters Paul Hach. Er war kein Kommunist und auch kein Opportunist, sondern ein Liberaler. Und so verschwand er für Wochen spurlos. Erst als die Erfurter Liberalen auf ihr Oberbürgermeisteranrecht „verzichteten“ und der Kommunist Georg Boock zum OB gewählt werden konnte, wurde Paul Hach wieder aus der Gefängnishaft freigelassen.

So sah der „Antifaschistische Demokratische Neubeginn“ nach der verbrecherischen nationalsozialistischen Diktatur hier aus. Aber auch der Begriff antifaschistisch war eine Irreführung, denn nach der nationalsozialistischen Diktatur erneut ein sozialistisches Experiment zu starten, wäre allein von den Worten her zu auffällig gewesen.

Immer wieder haben in den folgenden 44 Jahren Tausende Menschen Meinungs-, Versammlungs-, Reisefreiheit und andere Menschenrechte in Anspruch nehmen wollen und sind dafür ins Gefängnis geworfen worden, so wie ich auch zweimal.

Keine leichte Aufgabe also für das Aufbauteam der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße die Vielfalt an menschlichem Unglück und deren ideologischen Ursachen deutlich zu machen.

Abschließend möchte ich noch unbedingt den Mut der kleinen Schar Erfurter Stasi-Besetzerinnen und -besetzer vom 4. Dezember ´89 würdigen.

Eines sollte aber auch bedacht werden: Die bewaffneten Kräfte damals in und um Erfurt haben ihre Waffen nicht benutzt, den Willen der Mehrheit des Volkes respektiert und somit vielleicht auch einen kleinen Anteil an der friedliche Revolution von 1989 erworben.

Ich danke für ihre Aufmerksamkeit.