Leipzigs Denkmalstreit Einheitsbrei

FAZ 25.02.2014
Die Stadt Leipzig muss diverse Schritte des verkorksten Wettbewerbs für ihr Freiheitseinheitsdenkmal wiederholen. Wie gut, dass es nun nicht rechtzeitig fertig wird! Aber wie wäre es mit einer ganz anderen Anlage der dafür eingeplanten Mittel?

Von Regina Mönch

Das Sächsische Oberlandesgericht hat jetzt in einem Urteil (Az. Verg 9/13) zum verkorksten Freiheitseinheitsdenkmalwettbewerb einer Gruppe Architekten recht gegeben: den bislang vermeintlich unterlegenen unter drei „Wettbewerbssiegern“. Die Architekten hatten Beschwerde gegen Teile des Vergabeverfahrens der Stadt Leipzig eingelegt. Ihr Entwurf, 70.000 Blechhocker für den Platz der ersten Großdemonstration von 1989, die jeder erinnerungsfrohe Bürger sogar hätte mitnehmen dürfen, rutschte irgendwann zurück auf Platz drei. Denn das Volk, in Phase zwei des Wettbewerbs nach seiner Meinung befragt, wählte diesen Favoriten ab. 

© dpa Das Volk wollte den Schrebergarten: Entwurf der Leipziger Anna Dilengite, Tina Bara und Alba d’Urbano

Es entschied sich, bei magerer Wahlbeteiligung, für ein Projekt namens „Herbstgarten“ mit Apfelbäumchen. Interpretiert wird dieses Votum - und die Kommentare im Netz bestätigten es - dahin gehend, dass die revolutionäre Schrebergartenvariante den Leipzigern lieber war, weil es sie so wenig an ein Denkmal erinnert. Denn Leipzig hat ja bereits zwei akzeptierte, demselben Ereignis gewidmete Denkmale. So wie in Berlin für immer und alle das Brandenburger Tor die Weltenwende von 1989 symbolisiert. Aber auch Berlin soll ja dereinst sein eigenes Einheitsdenkmal kriegen: eine goldglänzende Wippe auf den Schlossplatz. Zehn Millionen Euro stehen bereit für dieses teure Geschenk an die freiheitsbewegte Spaßgesellschaft.

Dabei ließe sich das Geld doch sinnvoll anlegen

Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts in Dresden wird jetzt die Stadt Leipzig verpflichtet, diverse Wettkampfschritte zu wiederholen. Eigentlich ist das eine gute Nachricht, denn weder das eine noch das andere (vorgeschlagene) Freiheits- und Einheitsdenkmal wird dann rechtzeitig zum 25. Jahrestag von Heldenstadt-Großdemonstrationen und Mauerfall fertig. Obwohl alle drei preisgekrönten Entwürfe für Leipzig behaupten, die Revolution von 1989 zu feiern, zeichnen sie sich doch durch eine vordergründige Ereignisferne aus. Dass sich daran viel ändert, wenn die Stadt, durch diesen Gerichtsbeschluss verpflichtet, ihre Bewertungskriterien für die Überarbeitung offenlegt, darf bezweifelt werden.

Die Kritik an den Denkmalsplänen hat sich nicht gelegt, und ob man sie überhaupt braucht, in Leipzig wie in Berlin, steht mehr denn je in Frage. Könnte man das viele postrevolutionäre deutsche Steuergeld - mit den zehn Millionen für Berlins Goldene Einheitswippe wären es insgesamt fünfzehn Millionen Euro - nicht sinnvoller anlegen? Zum Beispiel in die demokratische Zukunft der Ukraine, für die Helden des Majdan, deren prekäre Ausstattung noch vor aller Augen ist - statt sich im gedenkseligen Deutschland in immer absurderen Varianten selbst zu feiern?

 

Neue Denkmäler für die Einheit Beruhigt euch!

 

FAZ 29.07.2013 In Berlin und Leipzig sollen der deutschen Einheit Denkmäler gesetzt werden. Nach dem qualvollen Wettbewerb hat man sich entschieden - für eine glänzende Wippe und sehr viele bewegliche Hocker.

Von Regina Mönch

© picture alliance / dpa Vergrößern Leipzigs Wahl: „70.000“ von Marc Weis und Martin de Mattia - bietet Sitzgelegenheiten zum Mitnehmen

Eigentlich gibt es nicht viel Neues zu berichten von den Einheitsfreiheitsdenkmalen, die demnächst über uns kommen sollen. Das eine, für die Mitte Berlins geplant, wird zum angedrohten Termin im Herbst nicht fertig, weil ringsum Großbaustellenchaos herrscht, inklusive sogenannter berlinischer Verzögerungen.

Die sündhaft teure begehbare, goldglänzende Wippe soll aber dereinst an Deutschlands einzigen erfolgreichen Volksaufstand erinnern: Revolution als schicker Kindergeburtstag mit open end. Von den dafür genehmigten fünfzehn Millionen Euro wurden nach geharnischten Protesten fünf an die Heldenstadt Leipzig abgegeben.

Ein Schrebergarten für die Revolution?

Dort begann am 9. Oktober 1989 schließlich das, was wenig später mit dem Zusammenbruch des Kommunismus endete. Ein weltstürzendes Ereignis also. Die Stadt Leipzig prämierte nach einem Wettbewerb drei Entwürfe, die alle „über das Format des klassischen Denkmals“ hinausgehen, wie es offiziell hieß. Auch hier Heiterkeit und „aktive Teilnahme“.


© dpa  Eine extravagante Spiegelfläche für Bürger: In Berlin hat man sich für den Entwurf von Milla & Partner und Sasha Waltz entschieden

So darf man die 70.000 Blechhocker des Siegerentwurfes - so viele Menschen zogen damals, gesäumt von der für einen Bürgerkrieg gerüsteten Polizei, mutig über den Ring - auch mitnehmen, als postrevolutionäre Souvenirs. Platz zwei erinnert vor allem an eine riesige Torte, in die Segmente sind revolutionäre Forderungen geschrieben, jedes Jahr neue - demonstriert mal wieder, egal wofür. Platz drei errang ein „Herbstgarten“ mit Apfelbäumen. Lieblich: Revolution im Schrebergarten.

Dann wurde in Phase zwei das Volk befragt. Es schwieg sich zumeist aus. Unter jenen, die doch eine Meinung hatten, gewann der Apfelgarten. Weil der so wenig an Denkmal (und Revolution?) erinnere. Das empört die Sieger der ersten Phase, natürlich. Doch dieser Streit wird erst im Herbst entschieden, dann beginnt Phase drei. Das Revolutionärste an dieser Wettbewerbsqual ist der Streit darum. Denn alle Entwürfe, ob für Berlin oder Leipzig, zeichnen sich aus durch sehr deutsche Pathosallergie und sehr deutliche Ereignisferne.

Und die Leute merken das. Fällt einem bei Revolution noch Stéphane Hessels „Empört euch!“ ein, so passt, abgewandelt, zu Wippen, Blechhockern und Apfelgärten eher eine Losung wie „Beruhigt euch!“. Nur eine Erinnerung am Rande: Leipzig hat zwei schöne akzeptierte Freiheitsdenkmale (in klassischer Manier). Vor der Nikolaikirche, wo der Aufbruch in die Freiheit mit den Montagsdemonstrationen begann, steht die Nikolaisäule, unaufdringlich und eindrucksvoll. Sie wurde überwiegend aus Spenden finanziert. Genau wie die eiförmige Freiheitsglocke von Via Lewandowsky auf dem Augustusplatz. Warum kann es dabei nicht bleiben?


© dpa  Dritttplazierter Entwurf in Leipzig: „Herbstgarten“ von Anna Dilengite, Tina Bara und Alba D’Urbano

Autorin: Regina Mönch, Jahrgang 1953, Feuilletonkorrespondentin in Berlin.