Friedensgebete für den "Sozialen Friedensdienst"

Aus der Dresdner Initiative für einen "Sozialen Friedensdienst" entwickelte sich 1982 auch die Idee regelmäßiger Friedensgebete.

Wie ein Lauffeuer verbreitete sich im Oktober 1981 ein Brief überall in der DDR. Die Forderung einer Initiatorengruppe aus der evangelischen Weinbergsgemeinde Dresden traf den Nerv der Zeit: "[...] Die Volkskammer möge beschließen: Als gleichberechtigte Alternative zum Wehr­dienst und Wehrersatzdienst wird ein ›Sozialer Friedensdienst (SoFd)‹ eingerichtet. Die Erfassung, Musterung und Einberufung dazu erfolgt dem Wehrdienst entsprechend. Das Gesetz über die allgemeine Wehrpflicht vom 24.1.1962 ist dahingehend zu ändern."


Ein Zeitzeugenbericht von Roland Brauckmann, Heike Möbius, aus "Horch und Guck" Heft 46/2004  der ganze Artikel

Die Entwicklung regelmäßiger Friedensgebete
Als vertrauensbildende Maßnahme gegenüber dem Staat beschloss deshalb das 3. überregionale Arbeitstreffen in Dresden am 28. - 30. Dezember 1981, zum Beispiel Arbeitseinsätze in staatlichen Alters- und Pflegeheimen. Der Lohn sollte für ein Warschauer Kinderkrankenhaus gespendet werden. Ein lange vorbereitetes "Friedensforum" in der Dresdner Kreuzkirche fand jedoch am 14. Februar 1982 statt, am 16. Mai das Friedensseminar Kö­nigswalde, am 27. Juni eine ›Friedenswerkstatt‹ in der Berliner Erlöserkirche. In Jena bildete sich eine "Frie­dens­gemeinschaft". Dadurch wurden umfangreiche Kontakte zum Austausch von Informationen zwischen den verschiedenen regionalen Friedenskreisen in der DDR   möglich. Spätere Bausoldaten in der Gruppe wie Friedemann Gehrt wirkten maßgeblich an der systematischen Vernetzung mit. Da eine weitere zentrale Koordinierung der nichtstaatlichen Friedenskreise aufgrund heftiger staat­licher und kirchlicher Reglementierung unmöglich schien, wurde von der Gruppe am 8. Februar 1982 erst­mals ein Konzept dezentraler Friedensgebete beschlossen. Dabei wurde festgelegt, weitere SoFd-Initiativen in Form von Friedensgebeten durchzuführen.13 In Großstädten der DDR sollten zeitgleich, wöchentlich am Samstagabend (später am Sonntag bzw. Montag), Frie­densgebete in zentral gelegenen Kirchen stattfinden. In Leipzig verwirklichten dies Heinz Bächer, Lutz Stellmacher, Joachim Döring und Günther Johannsen.14 Nach der Andacht sollte dann der Informationaustausch über Ereignisse und geplante Aktionen stattfinden. Jeder Friedenskreis hätte damit die Möglichkeit, Informationen durch einzelne Abgesandte – das MfS nannte sie in ihren Akten "Kuriere" – in eine andere Region weiterzugeben und von dort zu erhalten. Das Vorhaben sollte im Sommer 1982 über persönliche Kontakte zu Multiplikatoren, wie den Wittenberger Pfarrer Hans-Jürgen Tschiche15, verbreitet werden. Won­neberger selbst knüpfte enge Kontakte zum Berliner Pfarrer Rainer Eppelmann, der mit Robert Have­mann am 25. Januar 1982 mit der Unterschriftensamm­lung "Berliner Appell" gegen die Aufrüstung in der DDR angetreten war.16

Anmerkungen:

13    OV "Provokateur", MfS KD Dresden-Stadt, Auskunftsbericht zur Person W. vom 22.4.1982 S. 12; ebenso in Uwe Schwabe, Symbol der Befreiung. Die Friedensgebete in Leipzig. Horch und Guck, Heft 23, 1998, S. 1 – 22.
14    Neubert, Ehrhart: Geschichte der Opposition in der DDR 1949-1989. Bonn 1997, S. 389-395 und 415-416 sowie S. Bickhardt, Gerd Poppe, Edelbert Richter, Hans-Jürgen Tschiche: "Spuren – Zur Geschichte der Friedensbewegung in der DDR" (Samisdat, Berlin Feb. 1988): "Schon Anfang 1981 hatte Wonneberger die Vorstellung, in mehreren Städten der DDR Friedensgebete einzurichten. Als sich nun die SoFd-Initiative mit dem großen Ostertreffen 1982 Treffen nicht realisieren ließ, projektierte er dezentrale Friedensgebete in den großen Städten der DDR."
15    "Wonneberger und Tschiche waren sich einig, daß die Bildung von ›Frieden konkret‹ gleichzusetzen sei mit der Bildung der ›Bekennenden Kirche‹ während der Zeit des Faschismus." OV "Provokateur", Bd. 2, S. 93.
16    Bis April 1982 deponierte Eppelmann 500 Unterschriften "an einem sicheren Ort". Nach der Veröffentlichung des Berliner Appell in der Frankfurter Rundschau am 9. Februar 1982 wurde er 48 Stunden festgehalten; Wonneberger ebenfalls am 14. Februar 1982 nach der Verlesung des Appells im Gottesdienst.

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