Die Rolle der Hauptamtlichen MfS-Mitarbeiter

In der öffentlichen Diskussion spielen die inoffiziellen Mitarbeiter (IM) die hauptsächliche Rolle. Dabei wird übersehen, dass die IM in der Regel keinen Einblick in die Hintergründe der MfS-Aktivitäten hatten und selbst nur einen kleinen und von dem jeweiligen Führungsoffizier zuerkannten eigenständigen Aktivitätsraum hatten. Die Planung dessen, wer, warum, wann und wie überwacht wurde, oblag einzig den hauptamtlichen MfS-Mitarbeitern. Sie waren die eigentlichen Drahtzieher und blieben dennoch stets im Hintergrund. Scheinbar ist ihnen diese konspirative Attitüde – von einigen Ausnahmen abgesehen – bis in die Gegenwart hinein gelungen. 

Das öffentliche Entsetzen über die Machenschaften der Stasi konzentriert sich auf die IM, während die ehemaligen hauptamtlichen Mitarbeiter gern die Rolle eines 'normalen' Geheimdienstmitarbeiters für sich reklamieren, die es ja in jedem Lande gäbe und die natürlich auch in jedem Land mit konspirativen Methoden arbeiteten und insgesamt zur politischen Stabilität während des kalten Krieges beigetragen hätten.

Zu den Aufgaben der Hauptamtlichen Mitarbeitern, die die Umweltschutzgruppe in Erfurt 'bearbeiteten’ gehörte:

  • Festlegung der zu überwachenden Personen oder Personengruppen und Begründung
  • Erstellen von Maßnahmeplänen (siehe Beispiele in der Anlage 03 und 04 )
  • Die Hauptamtlichen MfS-Mitarbeiter waren nicht nur Teil eines beobachtenden Überwachungsapparates, sondern organisierten die "Zersetzung" vermeintlich "feindlich-negativer" Personen und intervenierten im Vorfeld von PUT und PID.
  • Einschleusung von IM in die Umweltschutzgruppe und Gewinnung von IM
  • Steuerung der Umweltschutzgruppe durch gezielte Beeinflussung von Kontaktpersonen der Umweltschützer (siehe Dokumente des MfS in der Anlage 06)
  • Koordination aller Aktivitäten, Überwachung der Planungen, Erfolgskontrolle und Bewertungen sowie Schlussfolgerungen

Über 10 hauptamtliche MfS-Mitarbeiter waren an der 'Bearbeitung' der Umweltschutzgruppe unmittelbar (im Stasijargon 'operativ’) beteiligt (Eine Liste einiger beteiligten MfS-Mitarbeiter ist unten aufgeführt). Jeder dieser MfS-Mitarbeiter hat ein Netz von 5-12 IM geführt. Diese einzelnen IM-Netze arbeiteten untereinander unabhängig. Diese Informationen wurden durch ad hoc gebildete Koordinierungsgruppen zusammengetragen oder in dem Referat XX/A der Bezirksverwaltung Erfurt (BV Erfurt) ausgewertet. Zusätzlich zu den Auswertungen des Referates XX/A wurde speziell für die Umweltgruppe zeitweilig eine zentrale Koordinierungsgruppe unter Leitung des Leiters der Abteilung XX, Günter Stark, gebildet. Die gesammelten Erfahrungen mit der Erfurter Umweltgruppe floßen in die Promotion von Herrn Stark zum Thema "Operative Bearbeitung feindlich-negativer Kräfte" auf der MfS-Hochschule Potsdam im Jahr 1989 ein.

 

 

Die Strategie des MfS

Die hauptamtlichen MfS-Mitarbeiter haben die Pläne zur Zersetzung der "feindlich-negativen" Personen ausgearbeitet. Sie haben die Misserfolgserlebnisse bei diesen "feindlich-negativen" Personen im beruflichen wie im privaten Bereich geplant und organisiert. 

 

Sie haben veranlasst, dass bestimmte gewünschte Lehrstellen nicht an Mitglieder der Umweltgruppe vergeben wurden, sie haben berufliche Umsetzungen über die Personalabteilungen (Kaderabteilungen) veranlaßt, im heutigen Sprachgebrauch mobbing im Berufsumfeld einer Lehrerin organisiert bis diese den permanenten Druck den das MfS über den unmittelbaren Vorgesetzten (Schuldirektor der POS 45) ausübte, nicht mehr aushalten konnte und ihren Lehrer-Beruf aufgab, Gerüchte über eheliche Untreue von Partnern der Protagonisten der Umweltgruppe über die Vorgesetzten verbreiten lassen, weibliche IM in die Umweltgruppe eingeschleust, um die männlichen Umweltschützer von ihrem Engagement abzuhalten (als eine IM einen Umweltschützer im Jahre 1988 heiratete feierte das MfS die 'Neutralisierung' der 'feindlich-negativen' Person als Erfolg ihrer Aktivitäten, der Umweltschützer nahm sich im Jahre 1992 das Leben); die hauptamtlichen MfS-Mitarbeiter veranlassten die Verbreitung von Gerüchten, daß der Leiter der Umweltgruppe selbst IM sei (ein Gerücht, dass sich übrigens erst nach der gemeinsamen Akteneinsicht im Jahre 1993 auflöste). Mit Rücksicht auf die Betroffenen soll hier auf die Darstellung von Details verzichtet werden.

Für die Umsetzung der Planungen der hauptamtlichen Mitarbeiter bedurfte es zahlreicher willfähriger Gehilfen. Dazu zählen die Inoffiziellen Mitarbeiter (IM), die zur Mitarbeit in der Regel mit einer schriftlich fixierten Vereinbarung verpflichtet wurden, aber auch die zahlreichen Erfurter Bürgerinnen und Bürger (481 während der 1980er Jahre!), die bereitwillig ein Zimmer ihrer Wohnung oder einen Büroraum ihres Arbeitsumfeldes dem MfS auf Anfrage zeitweilig überlassen haben, damit hauptamtliche Mitarbeiter konspirativ in Kontakt mit ihren IM treten konnten. Diese Personen, die die Konspirativität eines solches Treffortes abgesichert haben, wurden ebenfalls schriftlich als Inoffizielle Mitarbeiter verpflichtet; allerdings mit dem Zusatz IMK/KW (siehe Abkürzungsverzeichnis). 

Diese Liste von Personen, die willfährig mit dem MfS zusammenarbeiteten ist zu ergänzen durch jene Personen, die auf Grund ihrer beruflichen Stellung und Funktion direkt durch das MfS angesprochen wurden, ohne jemals zu einer Mitarbeit direkt verpflichtet worden zu sein. Zunächst wenden wir uns aber jenen Personen zu, die per Verpflichtungserklärung für das MfS gearbeitet haben: den IM.

Ermittlungen des MfS auf folgende Straftatbestände nach dem Strafgesetzbuch der DDR durch Mitglieder der Umweltgruppe

  • § 214 Beeinträchtigung staatlicher oder gesellschaftlicher Tätigkeiten
  • § 218 Zusammenschluss zur Verfolgung gesetzeswidriger Ziele
  • § 219 Ungesetzliche Verbindungsaufnahme (mit Bürgern westlicher Staaten)
  • § 220 Öffentliche Herabwürdigung (der DDR, des Staatsapparates sowie der Parteien und Massenorganisationen)
  • § 245 Versammlungsverbot (OWVO vom 22.03.1984)

Ausgewählte organisatorische Strukturen des MfS in Erfurt

(gelb unterlegt sind die Organisationseinheiten, die mit der Umweltgruppe direkt zu tun hatten; Stand: 1989)

 

Die Hauptamtlichen Mitarbeiter kamen überwiegend aus der Abteilung XX des BVfS Erfurt sowie der Kreisdienstelle Erfurt (KD Erfurt). Die Abteilung XX der BVfS Erfurt hatte im Jahre 1988 etwa 50 hauptamtliche Mitarbeiter von denen 27 Mitarbeiter selbst IM führten. Der Abteilung XX waren mit Stand 1988 430 IM zugeordnet. 

Die nachfolgende Liste fasst die MfS-Mitarbeiter zusammen, die Mitte der 1980er Jahre mit der Erfurter Umweltgruppe in Verbindung zu bringen sind. Darüber hinaus sind in der folgenden Liste jene Konspirativen Wohnungen (IMK/KW) angegeben, in denen sich der jeweils IM-führende Mitarbeiter mit seinen IM getroffen hat. Während der 1980er Jahre waren der Abteilung XX insgesamt 64 IMK/KW zugeordnet (nach Ergebnisses der eigenen Recherche der F78 Straßenkartei; siehe dazu auch den Beitrag zu IMK/KW in Erfurt.

Beachten Sie bitte unbedingt:
Auch für die hauptamtlichen MfS-Mitarbeitenden gilt prinzipiell das zu IM gesagte: Es gibt viele Namen in Erfurt doppelt; und es gibt vor allem viele IM-Decknamen mehrfach. Sie können von einem IM-Decknamen, der in einer Stasi-Akte verzeichnet ist, keinesfalls auf den Klarnamen schließen. Diese Liste ist also mit größter Vorsicht zu betrachten. Auch Fehler können nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden.
mehr dazu

IM-Führende MfS-Mitarbeiter (nicht komplett)

MfS-Offizier

Geburtsdatum

Diensteinheit

IM
(Klarnamen)

Geheimer Treffort

Alsen, Hans-Uwe

17.05.1957

BVFS XX/A

 

 

Becke, Ronald

07.03.1957

BVFS XX/1 bis 1987, dann OibE in Berlin

 

"Cramer", Carmerstr. 48; "Hygiene", Juri-Gagarin-Ring 124; "Brunnen", Anger 41; "Steiger", Reichardtstr. 12

Briesner,

 

 

 

 

Deckert, Uwe

11.12.1960

BVFS XX/1

 

 

Edelhof, Burkhardt

16.07.1950

 

 

 

Ehmke, Johannes

03.12.1958

BVFS XX/6

 

 

Ehrsam, Roland

 

BVFS XX/7, XX/8

Renate Greif

'Werner', Berliner Str. 101, 'Herrmann', J-Gagarin-Ring 23

Friedrich, Rolf-Günter

07.08.1951

BVFS XX/7

J. B.

'e’, Marktstr.19

Hopfer,

 

BVFS XX/2, XX/3

 

 

Hopfstock

 

 

 

 

Ludwig, Peter

11.01.1939

KD Erfurt

Herbert Gräser

 "Werder", Moskauer Platz

Mank, Jochen

24.03.1953

 

 

 

Mittelhäuser, Gerhard

23.06.1955

BVFS XX

  

 

Moser, Roland

14.10.1937

BVFS XVIII

 

 

Mörstedt, Peter

26.04.1953

BVFS XX/6

 

 

Penndorf, Hilmar

07.06.1937

BVFS XX

Dr. T. F.,
Dr. M. S.

"Hygiene", Juri-Gagarin-Ring 124
Geheimes Arbeitszimmer von H.P.

Pfeil, E.

13.04.1944

BVFS XVIII

 

 

Schmidt, P.

 

BVFS XX 

Dr. B. P.

"Burg", Blosenburgstr. 3

Schuchart

 

KD Erfurt

Ingrid Moos

'Schiene’, Bahnhofstr.1

Stieler, Herbert

05.10.1951

BVFS XX/2, XX/3

 

 

Leitende MfS-Mitarbeiter (nicht komplett)

MfS-Offizier

Geburtsdatum

Funktion

Zeit

Alsen, Hans.Uwe

17.05.1957

Leiter Ref XX/A

1985 - 1987

Boller, Rolf

15.06.1933

Stellv. BVFS

1972 - 1985

Bärwolf, Arnfried

21.02.1947

Leiter Ref XX/1

1979 - 1990

Schneeberg, Bernd

12.05.1962 

 

        - 1990

Schwarz, Josef

02.07.1932

Leiter der BVFS Erfurt

1984 - 1990

Stark, Günter

23.11.1947

Leiter Abt. XX

1984(?) - 1990

Stieler, Herbert

05.10.1951

 

       - 1990