Die Rolle der IM: Stimmungsberichte versus Denunziation

  • Nur etwa 100-200 Seiten allgemeine Konzeptionen zur "Bearbeitung" der IG und allgemeine Berichte an die SED (Parteiinformationen), aber Tausende von Seiten zu Einzelpersonen der IG
  • "Wer ist wer?" Nachweis strafbarer Handlungen, Mitarbeit bei der "Zersetzung" der Persönlichkeit der "feindlich-negativen" Personen
  • Jeweils konkrete Aufträge von Treffbericht zu Treffbericht 
  • Die IM dienten stets der Klärung der Hauptfrage des MfS: "Wer ist wer?"! Auf allgemeine Stimmungsberichte war die Staatssicherheit nicht angewiesen. Die Behauptung vieler IM heute, keinem geschadet zu haben, über niemanden speziell Nachteiliges berichtet zu haben, nur allgemeine Stimmungsberichte geliefert zu haben, läßt sich nach Aktenlage nicht bestätigen.

Warum wurden die IM zum IM?

Zu jedem IM führte das MfS eine Dokumentation (IM-Akte), die ausführlich über die Anwerbung, die Berichte des IM sowie die Treffberichte zwischen IM und MfS-Führungsoffizier Auskunft gibt. Nach eigener Sichtung zahlreicher IM-Akten von IM, die über die Umweltgruppe berichtet haben, ergeben sich folgende Gründe, warum ein IM mit dem MfS zusammengearbeitet hat:

  • Alle angesprochenen Schlüssel IM (Personen, die wegen ihrer beruflichen Stellung mit Umweltschutzbelangen zu tun hatten und als potenzielle Kontaktpersonen zu IG Mitgliedern galten) waren ohne Zögern zur Mitarbeit mit dem MfS bereit. Manche wurden gezielt durch das MfS in diese Funktionen gebracht. Vielleicht sind die Verweigerungen aber auch schlechter dokumentiert bzw. wurden von den Stasi-Offizieren unterschlagen, weil derartige Verweigerungen als Misserfolge der Arbeit betrachtet wurden. Da nur Akten von bereitwilligen IM in diesem Zusammenhang gesichtet wurden, könnte sich evtl. ein verzerrtes Bild über die generelle Bereitschaft der DDR Bevölkerung zur Mitarbeit mit dem MfS ergeben. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, das im Vorfeld eine umfassende Prüfung im Hinblick auf die potenzielle Bereitschaft zur Mitarbeit noch vor dem ersten Gespräch mit den Betroffenen erfolgt ist.
  • Andere wurden durch Überzeugung gewonnen („Engagement für Frieden, für Umwelt")
  • Andere wurden geschickt verführt
  • Andere erpresst (teils mit Nichtigkeiten)
  • Annahme, dass IM-Tätigkeit in bestimmter Funktion üblich sei
  • Überzeugung
  • Angst
  • Vorteilsnahme (materiell, Karriere)
  • Persönliche Aufwertung
  • Gefühl der Machtteilhabe
  • Erzeugung der Illusion Dinge auf diese Weise verändern zu können

Was wussten wir damals von der Bespitzelung durch das MfS?

  • Herr Hilmar Penndorf (IM "Erich Reeder", auch "Erich Reder" geschrieben) und Herr Donald Kind (IM "Jörg Böttcher") wurden bereits damals als potenzielle Stasi-Spitzel verdächtigt. Herr Penndorf gab an, als Lehrer für Marxismus-Leninismus eine Promotion über das Freizeitverhalten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der DDR zu schreiben. Deswegen interessiere er sich dafür, was wir im Umweltschutz so treiben. Im übrigen war Herr Penndorf hauptamtlicher Mitarbeiter des MfS, allerdings durch diverse Scheinarbeitsverhältnisse wie Lehrer für Marxismus/Leninismus an der Medizinischen Akademie Erfurt oder Angestellter des Instituts für Wissenschaftsorganisation Berlin mit der Außenstelle in Erfurt (Zimmer mit Schild im Bezirkshygieneinstitut Erfurt. Herr Penndorf wird in der MfS-Nomenklatur als FIM (IM führender IM), später als HFIM (Hauptamtlicher IM, der selbst ein IM-Netz führt) bezeichnet.
  • Herr Donald Kind wollte die Einladungen zu unseren Veranstaltungen versenden und wollte deshalb unsere Adresslisten haben. Nach dem klar war, das Funktionäre des Kulturbundes sich ebenso emsig um die Vollständigkeit unserer Adresslisten über die Kulturbund–mitgliederkartei kümmerten, haben wir dann Herrn Kind unsere Adresslisten übergeben, die der Stasi zu diesem Zeitpunkt nicht mehr neu waren. Herr Kind hat dann diese Listen an seinen Führungsoffizier übergeben und die Einladungen zu unseren Veranstaltungen stets pünktlich verschickt.
  • Ein Versuch, vermutete Stasispitzel zu überführen wurde nie unternommen, statt dessen wurde versucht, die beiden in die Arbeit der Umweltgruppe einzubeziehen (siehe Anlage 7).
  • Maßgebliche IM, wie z.B. Ingrid Moos als Stellvertreterin des Erfurters OB für Umweltschutz, waren unbekannt.
  • Hauptamtliche Mitarbeiter des MfS sind auf unseren Veranstaltungen nie gesehen und nie identifiziert worden.
  • Telefon- und Postüberwachung wurde vermutet.
  • Auch nach dem mehrere Leitungsteams der Umweltgruppe zum Reservistendienst in die Armee eingezogen wurden, ahnten wir nicht, dass auch hier die Stasi die Fäden zog.
  • Das MfS, repräsentiert durch Hauptamtliche Mitarbeiter, blieb uns – von Ausnahmen abgesehen – verborgen. Die kontroversen Diskussionen und Streitigkeiten führten wir damals mit Funktionären des Kulturbundes, des Staatsapparates und den zuständigen Stadträten Erfurts, von denen einige bis in die 1990er Jahre im Amt blieben. Erst durch die MfS-Akten erfuhren wir, dass diese wichtigen Kontaktpersonen der Umweltgruppe überwiegend vom MfS gesteuert waren.
  • Mut durch Verdrängung der Überwachung durch die Stasi.

Hat das MfS alle als IM gewinnen können, die verpflichtet werden sollten?

Nein!

  • Im Laufe von 6 Jahren konnte keine einzige Person des Leitungsteams der Umweltgruppe als IM verpflichtet werden.
  • Mitglieder der Umweltgruppe, die besonders durch das MfS unter psychischen Druck gesetzt wurden, haben sich aus der Gruppe zurückgezogen, um für das MfS uninteressant zu sein.

Lagen die Probleme der Umsetzung der Ziele der Umweltgruppe ausschließlich bei den IM und dem MfS?

Nein, denn....

  • Die Tätigkeit der einzelnen IM ist differenziert zu beurteilen. Einzelne IM haben sich so gut sie nur konnten um die Spitzelberichte gedrückt. Teils sind diese aus der IG ausgetreten mit der vorgeschobenen Begründung des Zeitmangels. Tatsächlich haben manche den Kontakt mit IG Mitgliedern gemieden, um über diese nicht berichten zu müssen. Andere wie die Erfurter Stadträtin Ingrid Moos (IM Inge Lange) haben initiativreich Szenarien zur Bekämpfung der IG und ihrer führenden Mitglieder entwickelt und diese dem MfS bzw. dessen Führungsoffizier übergeben.
  • Einige Vertreter von Kaderabteilungen, staatlichen Einrichtungen, des Rates der Stadt Erfurt, SED und Kulturbund haben die Arbeit der Umweltgruppe schwerwiegender behindert als mancher IM, ohne selbst IM gewesen zu sein. Im Folgenden soll auf die Rolle einzelner Personen, die teils wissentlich teils unwissentlich im vorauseilenden Gehorsam Teil des repressiven Überwachungsapparates in der DDR waren.

Liste von Inoffiziellen Mitarbeitern (IM)

Nachfolgend finden Sie eine Liste der IM, die Mitglieder der Umweltgruppe für den Staatssicherheitsdienst ausgespitzelt haben.

Beachten Sie bitte unbedingt:
Es gibt viele Namen in Erfurt doppelt; und es gibt vor allem viele IM-Decknamen mehrfach. Sie können von einem IM-Decknamen, der in einer Stasi-Akte verzeichnet ist, keinesfalls auf den Klarnamen schließen. Diese Liste ist also mit größter Vorsicht zu betrachten. Auch Fehler können enthalten sein.
mehr dazu

Warum haben wir uns trotz der Sensibilität des Themas entschlossen, diese IM-Liste jetzt zu veröffentlichen? Geschichte ohne Namen wäre eine Geschichte ohne handelnde Menschen. Die Veröffentlichung der Namen schützt auch Unbescholtene vor ungerechtfertigten Verdächtigungen.

Die Auflösung des Staatssicherheitsdienstes der DDR jährt sich bald zum 20. Mal. Die Diskussion steht in zahlreichen Einzelfällen noch aus. Bislang hatte kein Einziger der zahlreichen IM von sich aus die Initiative ergriffen, sich bei den seinerzeit Bespitzelten zu entschuldigen. Mancher mag zwischenzeitlich Scham empfinden. Andere wie Herr Manfred Wetzel oder Herr Donald Kind leugnen trotz unstrittiger Beweislage, dass sie IM waren, als ich (J. H.) sie darauf angesprochen hatte.

Diese Liste ist keinesfalls vollständig.

Liste der inoffiziellen Mitarbeiter,

die im Zusammenhang mit der IG Umweltschutz/Umweltgestaltung Berichte an das MfS geliefert haben:

Stand:  04. Dezember 2009

Name

Geburtsdatum

Funktion

Deckname

Reg.-Nr.

Berichts-
zeitraum

Deckname der  KW, Reg.-Nr.

Adresse 
der KW

B.

15.06.1960

 

IMS "Tom"

VIII
3082/81

 

"Arche"

 

Boden, Carola

13.02.1953

1. Sekret. d. Kulturbundes der Stadt Erfurt

GMS "Annemarie Zelle"; IME-Vorlauf
"Evelin"

IX 
187/85

1985-
1987

"König"; IX 997; eigentlich "Hannelore König“

J.-G.-Ring
18

B.

19.06.1954 

 

IMB "Andre Wagner"

IX 
22/81

1981-
1989

"Werder",
IX 1417

Moskauerstr.
88

Bösel, Peter 

06.12.1939

Hausmeister
Opernhaus

IMS "Jawa"

EF 512 
IX 1317/82
GI 537/59

1959-
1989

"Hannelore König" 

J.-G.-Ring
18

Bude, Helmuth

25.05.1933

Sekretär der Bezirksleitung des Kulturbundes

FIM "Heine" IMS "Hegel"

204/53

1953-
1961
1962-
1989

 

 

F. 

10.03.1954

 

IMB "Rose"

IX 
438/82

1982-
1989

 

 

G. 

26.11.1949

 

IMS "Sybille" 

IX 
154/89

1980-
1989

"Traktor", IX 560
"Lehrer", "H.Baumbach"

Fr.-Engelsstr. 
54

Gräser, Herbert (Leo)
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Artikel 'Welt' #1 >>
Artikel 'Welt' #2 >>

16.02.1954

 

IMB "Schubert"

IX 
122/81

1981-
1989

"Werder", IX 1417

Moskauerstr. 
88

Greif, Renate

05.04.1939

 

IMB "Viktoria"

IX 
1818/89

1982-
1989

"Werner",  IX 675, "Herrmann", IX 508, "Hanne–lore König", IX 997, "Prosa"

Berliner Str. 101, 
J.-G.-Ring 23,
J.-G.-Ring 18

G.

 

VEB Denkmalpflege

IMS "Bertram"

EF 500

 

"Günter Reimann"
AIM 394/89

 

Heckert, Karl-Heinz

21.02.1928

Fotograf

IMS "Bernhardt, bereits in 1950er Jahren GI

IX 579/71

 

 

 

 

 

Stadtrat

IMS "Andreas Weber"

 

 

 

 

Herrenberger, Ingolf

27.04.1952

 

IMS "Otto"

IX 548/75

1975-
1989

"Werder", IX 1417 "Arko"

Moskauerstr. 
88

 

 

 

IMS "Jaqueline"

EF 624

 

"Werder“ IX 1417

Moskauerstr. 
88

Kind, Donald

 13.05.1965

 

IMS "Jörg Böttcher"

IX 2059/84

1984-
1989

 

 

K.

 

Bezirks-Naturschutz-Beauftragter

IMS "Alperstedt"

 

 

 

 

Moos, Ingrid

03.12.1938

stellv. d. OB für Umweltschutz, Wasserwirtschaft und Erholungswesen

IMS "Inge Lange"

IX 2171/84

1985-
1990

"Schiene", IX 1650

Bahnhofstr. 
1

O.

 

 

IMS "Patricia"

IX 57/80

1980-?

 

 

Pathe, Emil
Artikel in op-online.de >>

27.08.1939 

 

IMS "Fritz Schüler"

XIII 220/70

1970-
1989

"Rose", IX 2052

Mühlhäuserstr.
5

Penndorf, Hilmar

07.06.1937

 

FIM "Erich Reeder"

IX 2014/80

1980-
1989

"Hygiene“, IX 1015

J.-G.-Ring 
124

P.

 

Leiter der Staatlichen Umweltinspektion

IME "Oliver"

IX 639/85

1985-
1988

"Burg", IX 442 oder IX 690, IX 737

Blosenburgstr.
3

 

05.06.1961

 

IMS "Conrad"

IX 340/82 AIM 1422/89

1986-
1988

 

 

S.

17.02.1962

FDJ-Sekretär
an der Medizinischen Akademie

GMS "Marschall"

 

198?-
1989

 

 

S.

 

 

IMS "Richard
Strauß"

VIII 1355/72

1972-
1989

 

 

Wetzel, Manfred

10.07.1935

Mitglied der Klubleitung des Kulturbundes, Sekretär des NDPD Erfurt

IMS  "Neubauer"

TA 529/89

1976-
1989

"Burg", IX 442 oder IX 690, IX 737

Blosenburgstr. 3, Kronenburg-
gasse 2, Eislebenerstr. 12

W.

17.04.1967

 

"Tina"

IX2016/86

1987-
1988

"Walter", ev. "Walter Zimmer", XVIII 4341

Otto-Nuschke-
Str. 23

W.

 

 

IMS  "Karl"

IX 676/85

1985-
1988

"Dürer", 11 Treffs in PKW

 

Dinter, Wolfgang

13.08.1948

 

IMS  "Peter"

 

 

 

 

M.

30.12.1926

 

FIM  "Joachim"

 

 

 

 

 

 

 

FIM  "Jan"

IX 934/84, Teil II 5590

 

"Prag",  1353/86

 

Romer, Michael

01.06.1960

 

IMS  "Klaus Peters"

 

 

 

 

 

 

 

IMS  "Roger"

924/83

 

 

 

H. 

05.09.1932

 

IMS  "Julia"

 

 

 

 

 

 

 

IMS "Thomas Herrmann

 

 

 

 

 

 

 

IMS  "Jana"

"Farah", IX 2085/85

 

 

Fritz-Gäbler-
Ring 8

 

 

 

IMS "Barbara"

IX 601/75

 

 

 

 

 

Urania-Referent

IMS  "Conrad"

NA 313

 

"Bebel", 270, NA 17

Bebelstr. 26

S.

22.03.1953

Puppentheater

IMB "Bäcker"

EF 507
IX 246/87

 

"Hannelore König"

J.-G.-Ring 18