"EINSCHLUSS" --2005--

Um gegen den geplanten Abriss und für eine künftige Bildungs- und Gedenkstätte ein Zeichen zu setzen, vereinbarten die Gesellschaft für Zeitgeschichte und die Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, im Sommer mit einem Ausstellungsprojekt die ehemalige Stasi-U-Haft zu öffnen. 

Manfred May konnte mit seiner Idee einer Kunstausstellung an diesem Ort als Projektleiter gewonnen werden.

Außergewöhnliche Künstler kamen und verdichteten ihre Impressionen zu Haft und Haus in ganz besondere Kunstinstallationen.

Referenten kamen und redeten über ihre Manuskripte, Erfahrungen, Gedanken und Erlebnisse. Sponsoren kamen und halfen unkonventionell da weiter, wo es nicht gänzlich ohne Geld ging. Arbeitssuchende kamen und fanden eine zeitweilige, neuartige Betätigung.

Besucher kamen, weil es die letzte Gelegenheit sein konnte einen Blick in ein ebenso zentrales wie geheimgebliebenes Haus und Stadtgeschichtskapitel zu werfen. Sie brachten die Hoffnung mit, dass das undemokratische Erbe der Stasi-Haftanstalt vielleicht je doch ein Ort der demokatischen Auseinandersetzung werden könne, und füllten Besucherbuch und Spendenbox.

Das Projekt

Kunst und Künstler sind in diesen Prozess auf besondere Weise involviert.

Die zeitgenössische Kunst steht in der geistigen Auseinandersetzung der Zeit, ist Teil von ihr und hat überzeugende und ergreifende Ergebnisse eingebracht.

Das Projekt will verschiedene Stimmen dieser Anstrengungen in Erfurt zusammentragen. Eingeladen wurden Künstler aus Ungarn, Frankreich und Deutschland, die sozusagen für den „blick von innen“ wie für den „von außen“ stehen.

Gemeinsam ist ihnen, dass ihr bisheriges Werk die Auseinandersetzung mit der Hinterlassenschaft der totalitären Herrschaftsstrukturen im 20. Jahrhundert reflektiert.

Unter den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern bestand von der ersten Begegnung mit dem Ort der Ausstellung an Einhelligkeit darüber, den MfS-Zellentrakt im zweiten Obergeschoss nicht künstlerisch zu bearbeiten, sondern ihn in seiner Beredtheit zu belassen, ihn als Platz für individuelle Erinnerungen Betroffener nicht anzutasten.

Jeder künstlerische Eingriff dort wäre als Interpretation oder Kommentar bereits Überformung des authentischen Ausdruckes. Ihre Arbeiten sind im Erdgeschoss des Gebäudes zu sehen.

In dem ebenfalls zellenartig strukturierten Gebäudeteil, befinden sich Deutungen des Ortes oder seines Gewichtes innerhalb der Diktatur aus den individuell sehr unterschiedlichen Blickwinkeln.

Die Zeitweiligkeit des Projektes steht für die Absicht, die notwendige Diskussion um eine Gedenkstätte an diesem Platz zwar in Gang zu bringen,
ihr jedoch nicht vorzugreifen oder sie zu einem eiligen Ende zu führen.

Zu hoffen ist, dass die Ausstellung es gestattet, temporär das öffentliche Interesse auf das Gebäude und seine Geschichte zu lenken und dazu beizutragen, beides nicht aus dem gesellschaftlichen Gedächtnis zu löschen.

Beteiligte Künstler:

Ingrid Bahß, Köln und Manfred May, Benshausen
Genevieve Gilabert und Sandra Riche aus Frankreich
Erken Skololi, Albaner aus dem Kosovo (Planung später verändert)
Otto Vincze aus Ungarn

Integraler Bestandteil des Projektes ist die Beschäftigung mit der konkreten Geschichte des Gebäudes und der MfS-Untersuchungshaft.

Deshalb wird es informative Tafeln zur Geschichte des Gebäudes geben, die voraussichtlich im Eingangsbereich oder in der Hofdurchfahrt platziert werden.

Während der Ausstellungszeit sollen wöchentlich Veranstaltungen im Hof, bei Regen unter der Hofdurchfahrt stattfinden. Vorgesehen sind Lesungen von Schriftstellern und Zeitzeugen, wissenschaftliche Vorträge und Filme.

Regelmäßig und auf Bestellung werden Führungen angeboten, die für Gruppen die Informationen zusammenfassen und die vom Hof aus sichtbaren Gebäudeteile einordnen.

Manfred May (Projektleiter)

Übersicht der Kunstwerke

Zur Ausstellung erschien im August 2005 ein von Manfred May herausgegebene Katalog "Einschluss". Er war innerhalb weniger Monate vergriffen und liegt nicht als Datei vor.

Er enthält neben den Aussagen und Biografien der Künstler auch hervorragende Fotografien aller Raum-Installationen.