Ort der Aufarbeitung und Demokratie-Erziehung

Weimarer Stiftung Ettersberg übernimmt Erfurter Gedenkstätte Andreasstraße

Die Arbeit zur Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen wird gebündelt – und zwar unter dem Dach der Stiftung Ettersberg, die in Weimar ansässig ist. Das Kabinett hat die Zusammenlegung der Stiftung „Gedenken Erinnern Lernen“ mit der Stiftung Ettersberg beschlossen. Die neue Einrichtung wird den Namen „Stiftung Ettersberg Europäische Diktaturerforschung – Aufarbeitung der SED-Diktatur – Gedenkstätte Andreasstraße“ tragen. Leiter der Bildungs- und Gedenkstätte in der ehemaligen Stasi-U-Haft Andreasstraße so der Berliner Historiker und Publizist Jochen Voit werden. Die neue Stiftung soll sowohl einen wissenschaftlichen Beirat als auch einen Beirat erhalten, der sich vorrangig mit Themen der Aufarbeitung beschäftige, erläuterte jetzt Kulturminister Christoph Matschie. Die Vorsitzenden beider Gremien werden gemeinsam mit Vertretern der Landesregierung und Landtagsabgeordneten zudem den neuen elfköpfigen Stiftungsrat bilden. Dieser soll im kommenden Jahr seine Arbeit aufnehmen. Chef der erweiterten Stiftung Ettersberg bleibt Hans-Joachim Veen – und die Einrichtung die sich mit der Diktaturerforschung beschäftigt, bleibt Weimar erhalten.

Mit ihm sprach die TLZ:

Aus zwei mach eins: Ist die Zusammenführung der beiden Stiftungen sinnvoll?

Es ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung, denn wir können nun sehr gut die Arbeit einer Gedenkstätte mit der Aufarbeitung der SED-Diktatur verbinden und das einbetten in die europäische Diktaturforschung. Das ist ambitioniert und wirklich neu – und daher auch in der Aufarbeitungslandschaft in Thüringen von großem Interesse. Wir haben übrigens vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien schon Hinweise erhalten, dass er den Aufbau der Andreasstraße mit diesem neuartigen Konzept mit Bundesmitteln fördern will – und zwar hälftig. Das ist gewaltig.

Die Stiftung Ettersberg ist vor einem Jahrzehnt von Bernhard Vogel ins Leben gerufen worden, die Erfurter Stiftung geht auf Dieter Althaus im Jahr 2009 zurück. Ist die Vereinigung beider Teile also ein konsequenter Schritt?

Ja, denn die Stiftungsgründung von Dieter Althaus war 2009 eine Notlösung, als es kurz vor der Landtagswahl Widerstand von Opferverbänden dagegen gab, dass die Stiftung Ettersberg für die Andreasstraße zuständig sein sollte. Genau das hatte vor drei Jahren bereits ein Kabinettsbeschluss vorgesehen gehabt.

Im Zusammenhang mit der Gedenkstätte Andreasstraße in Erfurt hatte es durch einen Teil der Opfergruppen einen langanhaltenden und auch sehr verletzenden Streit gegeben. Ist mit der Zusammenführung der Stiftung nun ein gutes Miteinander zu erwarten?

Das war ein übler Streit, den ich immer sehr bedauert habe. Ich habe aber nie zur Verschärfung beigetragen. Ich glaube, wir haben in der Zwischenzeit auch eine Basis des Miteinanders gefunden. Den Leiter für die Gedenkstätte Andreasstraße haben wir – also Häftlingsverbände, Stiftung Ettersberg und Externe – einvernehmlich vorgeschlagen. Das ist ein gutes Zeichen.

Sie sind nun auch für die Erfurter Andreasstraße zuständig. Zieht die Stiftung Ettersberg absehbar von Weimar nach Erfurt um?

Nein, und zwar ganz bewusst nicht, weil wir uns nicht auf eine Gedenkstättenstiftung reduzieren lassen wollen. Wir bleiben Stiftung Ettersberg – und wir bleiben der europäischen Diktaturforschung verbunden. Das ist ein Markenzeichen, an dem wir jetzt schon ein Jahrzehnt gearbeitet haben. Ich habe mittlerweile eine Schriftenreihe von 17 Bänden vorzuweisen.

… und sie behalten den Schülerwettbewerb bei.

Sicherlich.

In der Andreasstraße soll ja gerade auch die Bildung junger Menschen eine wichtige Rolle spielen.

Wir können die Andreasstraße sehr gut nutzen als einen Ort von doppelter Symbolik: ein Ort großer Depression, aber auch ein Ort der Befreiung von Diktatur. Denn in der Erfurter Andreasstraße gab es am 4. Dezember 1989 die erste Besetzung einer Stasi-Zentrale, was immer noch viel zu wenige wissen. Wir haben künftig Räumlichkeiten in der Andreasstraße und werden also mit sehr viel mehr Synergie die Aufarbeitung und Demokratie-Erziehung betreiben können.

Sie sind Jahrgang 44. Auf wie lange haben Sie sich denn bei der Stiftung verpflichtet?

Ich habe einen Vertrag bis Ende 2013/ Anfang 2014 -  und bis dahin, so hoffe ich, dass das was wir uns jetzt vorgenommen haben, in trockenen Tüchern haben. Es wird dann auch Zeit für eine Nachfolge.

TLZ, 30. 11. 2011