6. Bildungsarbeit am authentischen Lernort

Gedenk‐ und Lernort Andreasstraße Erfurt

Konzeption für die künftige Dauerausstellung

vorgelegt von Stefanie Wahl

S. 13f

Der Gedenk‐ und Lernort Andreasstraße soll mehrere Ziele unter einem Dach vereinen:

Dokumentation, Vermittlung, Forschung und Beratung. Bei der Entwicklung der Angebote im Gedenk‐ und Lernort sind die unterschiedlichen Gruppenstrukturen der Besucher zu beachten: Ost‐ und Westdeutsche mit ihren jeweiligen Sozialisierungen, unterschiedliche Generationen (von Schulklassen bis zu Senioren), Gruppen mit sehr unterschiedlicher thematischer Vorbildung.12

Erklärtes Ziel ist es, möglichst viele Besucher zu erreichen, Mehrfachbesuche auszulösen und sich an Wünschen und Anforderungen der Besucherklientel zu orientieren. Der Gedenk‐ und Lernort muss einen wichtigen Beitrag zum historischen Lernen leisten. Dafür werden geschichtsdidaktische Konzepte wie Multiperspektivität und Kontroversität, Personalisierung und Personifizierung sowie verschiedenartige Interessen, Kenntnisse, Erfahrungen und Wahrnehmungsweisen berücksichtigt.

In der Bildungsarbeit soll es eine Verzahnung mit verschiedenen Bildungsträgern geben, wie beispielsweise der BStU, der TLStU, der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, dem Thillm, Volkshochschulen, Vereinen, Universitäten und Hochschulen usw.

Am historischen Ort werden Seminare, Führungen und Exkursionen, Sonderausstellungen, Projektwochen oder –tage, öffentliche Diskussionen, Gedenkveranstaltungen und Zeitzeugengespräche angeboten. Dafür soll ein ausdifferenziertes Führungs‐ und Vermittlungskonzept ausgearbeitet werden. Hier kann u.a. auf die Erfahrungen der Zeitzeugen‐Historiker‐Führungen aufgebaut werden, die die TLStU gemeinsam mit Freiheit e.V. sowie der Gesellschaft für Zeitgeschichte entwickelt und angeboten haben. Ähnliche Seminare und Workshops bietet die BStU in Zusammenarbeit mit Freiheit e.V. und der TLStU[12] oder auch mit der GfZ derzeit bereits an. Diese Zusammenarbeit sollte ausgebaut und gemeinsam weitergeführt werden.

Die einzelnen Module können auch sinnvoll kombiniert bzw. ergänzt werden. Sie sind in jedem Fall pädagogisch und museumsdidaktisch professionell zu beraten und zu begleiten. Auch Angebote zu thematisch orientierten touristischen Gruppenreisen könnte der Gedenk‐ und Lernort Andreasstraße zur Erweiterung seiner Besucherklientel entwickeln.

Bestimmte Formate zur Vor‐ und Nachbereitung, themenverwandte Projekte, Veranstaltungen, eine aktuell gehaltene Webseite, Öffentlichkeitsarbeit und die Schaffung von Formaten zur Sammlung von Erinnerungen und Feedback begleiten und vertiefen die ständige Ausstellung.

Jugendliche und Schüler kommen mit Vorstellungen in die Andreasstraße, die sich weitestgehend aus dem Unterricht und Erfahrungen/Berichten ihres privaten Umfeldes generieren. Um jüngeres Publikum und Schüler verschiedener Altersstufen zu erreichen, ist es notwendig, bei diesen Erfahrungen anzusetzen. Am historischen Ort sollen vielfältige Anknüpfungspunkte geschaffen werden, die es ermöglichen, am historischen Gegenstand zu lernen und diesen auch kritisch zu hinterfragen. Dabei wird darauf zu achten sein, dass Schwerpunktbildungen vorgenommen und Fallanalysen präsentiert werden. Im Hinblick auf das historische Lernen werden somit das Sach‐ und Werturteil und ein ideologiekritischer Zugang von großer Bedeutung sein.

Die Bildungsarbeit soll Angebote zur thematischen Vertiefung entwickeln.

Anknüpfungspunkte sollen dabei auch in der Gegenwart gesucht werden, z.B. über die Menschenrechtsproblematik, auch internationale und osteuropäische Bezüge sollen eine große Rolle spielen.[13]

Um eine gleichbleibend hohe Qualität des Bildungsangebotes zu gewährleisten, soll eine fortwährende Fortbildung der mitwirkenden Personen mit pädagogischen und wissenschaftlichen Aufgabenfeldern vorgesehen werden. Teilnehmende Lehrer, Schüler und weitere Veranstaltungsteilnehmer sollen zudem ihre Eindrücke anhand eines Systems von Fragebögen wiedergeben können, die anschließend evaluiert werden sollen. Der Gedenk‐ und Lernort soll sich mit entsprechenden fachlichen Partnern und Arbeitskreisen im Freistaat Thüringen zu einem kontinuierlichen Erfahrungsaustausch treffen.

Eine Kooperation von Schule und Gedenkstätte ist am effektivsten, wenn Lehrern die Möglichkeit gegeben wird, anhand von praktikablen didaktischen Materialen den Museumsbesuch vorbereiten zu können. Module zur fächerübergreifenden Projektarbeit sollten hier ebenso einen Platz finden wie die Ausarbeitung von didaktisch und methodisch fundierten Unterrichtsmaterialien, um ein möglichst umfassendes „Materialpaket“ für möglichst viele Zielgruppen bereitzuhalten.[14] Eine so qualifizierte Arbeit sollte im Betrieb der Gedenkstätte vorgesehen werden und auch finanziell und personell eingeplant und abgesichert sein.

Was die ständige Ausstellung weniger realisieren kann – tagesaktuell zu sein – können bei entsprechender kontinuierlicher Arbeit und personellem Mehraufwand die Bildungs‐ und Führungsangebote leisten.

Die zu erwartende Wechselwirkung zwischen der Ausstellung und der Gedenk‐ und Bildungsarbeit sind daher konstitutiver Teil dieser Konzeption und müssen bei der Ausschreibung zur Gestaltung und der Auswahl eines Gestaltungsentwurfs berücksichtigt werden.


[12] Arbeitsergebnis der Projektgruppe am 11. Januar 2011.

[13] Arbeitsergebnis der Projektgruppe am 17. Dezember 2010.

 

[14] Zahlreiche Unterrichtsmaterialien liegen zu sehr unterschiedlichen Themen bei den genannten Bildungsträgern bereits vor. Ständig entstehen neue Materialien, die in die aktuelle Arbeit einbezogen werden sollten. So derzeit z.B. von Frau Dr. Trützschler in Zusammenarbeit mit der Stiftung Ettersberg und der BStU Erfurt. Auszug aus dem Projektbericht: „Geschichte des Grenzregimes an der DDR‐tschechoslowakischen Grenze 1945‐1989: Das Ziel des Projektes ist es, didaktisches Material für deutsche und tschechische Schulen zu erstellen. Anhand dieses Materials sollen die Schüler/Schülerinnen einen Einblick in die Zeit des Kalten Krieges insbesondere an der Grenze zwischen den beiden Bruderstaaten bekommen. Das didaktische Material soll sowohl in Druckform in beiden Sprachen erscheinen als auch zweisprachig medial auf der Webseite abrufbar sein.“