Kabinett enteignet Opfer, zerschlägt Gedenkstätte Andreasstraße

22.01.2009

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Presseerklärung 23.1.2009

Freiheit e.V. und Landesbeauftragte für die Stasiunterlagen

1. Zeitzeugen enteignet – Gedenkstätte zerschlagen

Die Landesregierung hat beschlossen, der Stiftung Ettersberg die Trägerschaft der Gedenkstätte Andreasstraße zu übertragen. Freiheit e.V. und die Landesbeauftragte lehnen dies ab.

Damit wird die bisherige Arbeit der Landesbeauftragten und des Freiheit e.V. missachtet, die Zeitzeugen werden ihrer Gedenkstätte enteignet, die Bildungsarbeit lahm gelegt. Weitere Verzögerungen in der Entstehung der Gedenkstätte sind vorprogrammiert.

Der Vorsitzende des Freiheit e.V., Joachim Heise, zeigt sich entsetzt: „In allen Verhandlungen haben wir uns kompromissbereit gezeigt. Nun sollen wir mit einer untergeordneten Nebenrolle abgespeist werden. Wir sind von der Landesregierung enttäuscht. Jetzt haben wir die Schlüssel zu unserem früheren Gefängnis und wir lassen sie uns nicht wieder wegnehmen. Durch vier Jahre Arbeit haben wir uns Rechte erworben. Wir lassen uns nicht enteignen.“

Die Landesbeauftragte zeigt sich überzeugt, dass die Gedenkstätte nur durch die Legitimation der Zeitzeugen bestehen kann. „Jede zeitgeschichtliche Gedenk- und Bildungsstätte braucht die Kompetenz und die Akzeptanz der Zeitzeugen. Diese hat sich die Stiftung Ettersberg nicht erarbeitet.“

2. Florierende Gedenkstätte seit vier Jahren

Das bisherige Konzept der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße beruht auf der engen Verknüpfung der Zeitzeugen mit professioneller historischer und pädagogischer Arbeit. Über 40.000 Besucher, darunter hunderte Schulklassen, zeigten sich von der Authentizität des Ortes und den Angeboten von Freiheit e.V. und LStU beeindruckt. Auch für das Jahr 2009 liegen bereits zahlreiche Anfragen vor. Über 180 Zeitzeugen haben der Landesbeauftragten persönliche Unterlagen und Berichte anvertraut – eine unentbehrliche Grundlage der Gedenk- und Bildungsarbeit. Eine Wanderausstellung macht die Gedenkstätte im ganzen Land bekannt und gewährleistet die Arbeit auch während der Bauphase.

3. Landespolitik

Das Kabinett hat den Beschluss am 20. Januar gefasst, bis zum Donnerstag ist der Freiheit e.V. davon nicht unterrichtet worden. Es bleibt unklar, warum das Kabinett der Stiftung Ettersberg die Trägerschaft andient, die dafür erst ihre Zweckbestimmung und ihre Strukturen ändern muss Die Stiftung Ettersberg hat erklärt, sie sei zwar prinzipiell bereit, die Trägerschaft der Gedenkstätte zu übernehmen, habe dazu aber weder Geld noch Personal. Die Stiftung Ettersberg leistet entgegen ihrer Aufgabenbestimmung weder eine eigene wissenschaftliche Arbeit, noch hat sie in der sensiblen Frage der Opfer bisher Interesse gezeigt oder Fachwissen erworben. Die Stiftung verfügt über keine Kontakte zu den Thüringer Opfergruppen.

Dagegen wird die funktionierende Arbeit in der Kooperation zwischen Freiheit e.V. und der Landesbeauftragten zerschlagen.

Im August 2005 hatte Ministerpräsident Althaus nach seinem Besuch die Entstehung einer Gedenkstätte Andreasstraße angekündigt. Seitdem ringt die Landesbeauftragte stets in enger Verbindung mit den Zeitzeugen, die sich 2007 im Freiheit e.V. organisierten, um die Etablierung einer institutionalisierten Gedenkstätte. Das Kultusministerium hat wegen mangelnder Mittel bis zum Frühjahr 2008 keinerlei Zugeständnisse gemacht. Dann wurde eine Expertenkommission gebildet, der zwar die Stiftung Ettersberg, nicht aber die bisherigen Gedenkstättenbetreiber Freiheit e.V. und Landesbeauftragte angehörten. Diese wurden lediglich einmal für zwanzig Minuten angehört. Demzufolge empfahl die Kommission die Übertragung an die Stiftung Ettersberg.

Das Kultusministerium hat seitdem keinen Zweifel daran gelassen, dass es gewillt war, dieser Empfehlung zu folgen. Den bisherigen Trägern der Gedenkstättenarbeit wurden Informationen vorenthalten. Vor Gesprächen, zu denen Freiheit e.V. und Landesbeauftragte stets bereit waren, gab es keinerlei Vorlagen. Das Ministerium bot dem Freiheit e.V. Nebenrollen in einem Beirat an und ignorierte die Landesbeauftragte vollständig. Um die Sache Gedenkstätte nicht zu behindern haben sich beide lange auf ein Stillschweigen gegenüber der Presse eingelassen, in dem Irrtum, dass auch die Landesregierung an einer konstruktiven Lösung interessiert sei.

Freiheit e.V. und Landesbeauftragte fordern die Trägerschaft für die Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße für die bisherigen Träger dieser Arbeit.

Erfurt, den 22.01.2009

Hildigung Neubert, 
Thüringer Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR

Joachim Heise, 
Freiheit e.V. Förderverein Gedenkstätte Andreasstraße

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