Reiner Merker, Historiker / Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“

           Im Oktober 1986 wurde in Jena aus einem Freundeskreis heraus die Gruppe „Künstler für Andere“ gegründet. Das Anliegen der Gruppe war eine konkrete Solidaritätsarbeit für die Dritte Welt jenseits der staatlich verordneten und nicht nachvollziehbaren Solidaritätskampagnen. Von 1986 bis 1990 wurden Auftritte von KünstlerInnen vor allem im Rahmen der Kirche organisiert, deren Erlöse in zuvor festgelegte Projekte, basierend auf den Empfehlungen des INKOTA-Netzwerkes, flossen. Bereits diese selbständige Form der Solidarität führte zur Bearbeitung durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Hinzu kam, dass mit den Veranstaltungen ein kontinuierlicher, offener Gesprächsraum in Jena geschaffen wurde. Die Gruppe und ihre Veranstaltungen wurden zu einem Knotenpunkt des DDR-weiten oppositionellen Netzwerkes.
1991 gründete Künstler für Andere das Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“, das Thüringer Spezialarchiv zu Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur. Im Zentrum des Vortrages steht die Frage nach den Möglichkeiten öffentlicher Artikulation in der Diktatur am Beispiel unabhängiger Solidaritätsarbeit.

 

Dr. Dirk Moldt, Historiker / Soziologe www.dirk-moldt.de

            Zwischen Hass und Hoffnung. Die Blues-Messen 1979 – 1986. Eine Jugendveranstaltung der Evangelischen Kirche Berlin Brandenburgs in ihrer Zeit: Blues-Messen in Ost-Berlin – das waren 1979 bis 1986 keine normalen Gottesdienste. Anhand des Konfliktfeldes Staat – Kirche – Jugendliche – Gesellschaft werden Entwicklungen nachgezeichnet, die in die Situation der vorrevolutionären Jahre ab 1985 einmündeten. Durch den Vortrag begleitet eine Ton- und Bilddokumentation.

 

Immo Rebitschek studiert an der FSU Jena Neuere Geschichte, Germanistik und Religions-wissenschaft und schreibt seine Magisterarbeit zum Thema: „Der stalinistische Gulag als Leerstelle westlicher Historiographie zwischen 1956 und der Perestroika“.

Als Herausgeber des Quellenbandes zur Geschichte Thüringens „Die Thüringer Landesgründung. Der Weg zum Freistaat über Wunsch, Programm und Reform 1989-1993“ dokumentierte Herr Rebitschek, den administrativen und politischen Umformungsprozess der Länderbildung in Thüringen anhand seiner Akteure. Der gleichnamige Vortrag soll dieses Anliegen noch mal vertiefend vorstellen und in diesem Rahmen auch die Arbeitsmöglichkeiten mit dieser Quellensammlung vorstellen.

 

Manfred May, Mathematiker, bildender Künstler (Beratungsinitiative, Caritasverband Bistum Erfurt)

            Sehnsuchtsfetzen – Heimkinderschicksale der DDR und der steinige Weg zu ihrer Rehabilitierung. Seit im Mai 2009 das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur Verfassungsbeschwerde eines ehemaligen Heimkindes feststellte, dass auch für DDR-Bürger, die in ein Kinderheim oder in einen Jugendwerkhof eingewiesen wurden, prinzipiell der Weg zur Strafrechtlichen Rehabilitierung offen steht, hoffen viele Betroffene auf eine Anerkennung ihres Schicksals und auf Entschädigung. Doch der Weg bis dahin ist lang und oft ohne Hoffnung. Manfred May hat seit Juni 2009 mit sehr vielen Betroffenen gesprochen, hat gestohlene Kindheit und Jugend dokumentiert und mit ehemaligen Heimkindern nach ihren Erwartungen, Wünschen und Perspektiven gesucht.

 

Dorothea Höck, Theologin, Philosophische Praktikerin, und Studienleiterin für politische Jugendbildung an der Evangelischen Akademie Thüringen

            Die DDR an der Schule: Erfahrungsberichte aus Projekten zu Geschichte, Kultur und Alltag der DDR mit Jugendlichen. Die Evangelische Akademie Thüringen führt seit 2003 regelmäßig Wochenprojekte mit Schülergruppen zum Thema DDR durch. Dabei geht es nicht nur um die DDR-Geschichte und das Verhältnis der Jugendlichen dazu. Im Gespräch der Jugendlichen mit Zeitzeugen, in der Zusammenarbeit mit Schulen werden viele Themen greifbar, die in jüngster Zeit auch in der Öffentlichkeit diskutiert wurden: Wie ändert sich die Sicht Jugendlicher auf die zweite deutsche Diktatur bei näherer Beschäftigung mit ihr? Wie korrespondiert das "System Schule" mit den Erfordernissen historischer Projektarbeit zu den genannten Themen? Dies und vieles andere fließt in den Erfahrungsbericht ein. Welche Überlegungen können beitragen, den derzeitigen Stand zu verbessern?

 

Nina Gühlstorff wurde 1977 in Ratzeburg (Schleswig-Holstein) geboren. Nach einem einjährigen Polenaufenthalt studierte sie Musik- und Sprechtheaterregie an der Bayerischen Theater-Akademie „August Everding“. Seit ihrem Diplom 2001 arbeitet sie als freie Regisseurin in Dresden, Heidelberg, Osnabrück, Halle, Augsburg, Tübingen, Konstanz, Salzburg, Basel. Neben ihrer Spezialisierung auf zeitgenössische Dramatik macht sie, gemeinsam mit Dorothea Schroeder und dem Nyx e.V., seit 2004 vermehrt dokumentarische Stückentwicklungen. Im Jahr 2002 absolvierte Nina Gühlstorff ein Gastsemester am Moskauer Theaterinstitut GITIS.

Dorothea Schroeder wurde in Mettmann (Nordrhein-Westfalen) geboren. Nach mehreren Hospitanzen, Assistenzen und längerer humanitärer Arbeit in einem kroatischen Flüchtlingslager, begann sie 1997 das Regiestudium (Sprech- und Musiktheater) an der Bayerischen Theaterakademie August Everding in München und schloss dieses im Jahr 2001 mit dem Diplom ab. Seither arbeitet Dorothea Schroeder als freie Regisseurin im Schauspiel und Musiktheater u.a. in Erlangen, Mannheim, Halle, München, Osnabrück, Augsburg, Dessau, Linz, der Neuköllner Oper Berlin, Hannover, St. Gallen und in Belgrad. Im Frühjahr 2003 absolvierte sie ein Gaststudium am Theaterinstitut GITIS in Moskau. Mit Nina Gühlstorff gemeinsam führt sie soziokulturelle Projekte mit professionellen Schauspielern und Laiendarstellern durch und leitet regelmäßig das Festival für zeitgenössische Dramatik „Spieltriebe“ am Theater Osnabrück.

 

Andreas Ilse, Waffendienstverweigerung in der DDR, Bausoldat von 1983-85, Dipl.-Ing. für wissenschaftlichen Gerätebau, Regionalbetreuer des Bundesamtes für den Zivildienst.

            Mit Einführung der Wehrpflicht in der DDR im Jahre 1962 gab es keine staatliche Regelung für Wehrdienstverweigerer. 1964 wurde nach Protesten eine Regelung geschaffen, wonach Waffendienstverweigerer einen waffenlosen Dienst in der Armee leisten sollten – den Bausoldatendienst. Was sollten Pazifisten in der Armee? Wie viele Verweigerer gab es und was war deren Motivation? Der Vortrag beschäftigt sich mit der Geschichte der Bausoldaten und beschreibt deren Wirkung in der DDR-Gesellschaft.