27.02.2014 22:42 Alter: 7 yrs

"Sich abmühen im Weinberg" Christoph Wonneberger zum 70.

Christoph Wonneberger gilt als einer der wichtigsten Wegbereiter der Friedlichen Revolution. Am 5. März wird er 70 Jahre alt.


Zunächst als Pfarrer der Dresdner Weinbergkirche, später als Koordinator der Friedensgebete in der Leipziger Nikolaikirche öffnete er die Kirchräume für politische Gruppen und riskierte Konflikte mit der Staatsmacht und seiner Kirche. Dann wurde es im Herbst 1989 plötzlich still um ihn. Ein Schlaganfall nahm ihm lange die Möglichkeit sich zu artikulieren. Am 5. März feiert Christoph Wonneberger seinen 70. Geburtstag. Rainer Eppelmann würdigt Christoph Wonneberger, den Freund und Theologen, im Vorwort zur gerade erschienenen Biografie "Widerstehen. Pfarrer Christoph Wonneberger". Einen Auszug daraus finden Sie hier:

Christoph Wonneberger habe ich zum ersten Mal Anfang der achtziger Jahre in Dresden in seiner Weinbergkirchengemeinde kennengelernt. Er hatte damals die Initiative "Soziale Friedensdienste" (mehr dazu) gegründet, von der ich - wie bei so vielen Dingen damals - erst über das Westfernsehen erfahren habe, da sie in der DDR sowohl von der Kirchenleitung als auch den staatlich kontrollierten Medien verschwiegen wurden. Er war einer der wenigen, die sich damals schon trauten, öffentliche Anlässe zu nutzen, um Aufmerksamkeit für sein Anliegen zu finden. Was wir heute für selbstverständlich halten, unsere Meinung frei zu sagen, öffentliche Räume zu besetzen, war es damals keineswegs. Auch Christoph Wonneberger ist erst über einen Umweg zu dieser öffentlich sichtbaren und konsequent gelebten Haltung gekommen: In jungen Jahren verpflichtete er sich unter Druck als Inoffizieller Mitarbeiter zur Zusammenarbeit mit dem MfS. Und auch hier gilt: Die genauen Umstände dieser gerade einmal 18 Monate dauernden "Zusammenarbeit" zeigen, dass sich pauschale Verurteilungen verbieten.

Unbequem und einsam

Buchcover Andreas Peter Pausch:

Das Buchcover zu "Widerstehen. Pfarrer Christoph Wonneberger".

Wonneberger wurde wegen seiner oppositionellen Haltung unter Druck gesetzt - nicht nur von den staatlichen Stellen, sondern auch von seiner Kirchenleitung in Sachsen. Um dem Druck zu entgehen, beantragte er seine Versetzung in eine kleine Gemeinde in Leipzig, wo er hoffte, der Kontrolle mehr entgehen zu können. Er blieb unbequem - nicht nur für den Staat, sondern auch für seine Kirchenleitung, der das gute Auskommen mit den Mächtigen immer mal wieder wichtiger war als die Unterstützung für jene, die gegen die Allmacht dieses nicht legitimierten Regimes aufbegehrten. Er wurde zensiert und im Stich gelassen. Zudem bespitzelte ihn die Staatssicherheit massiv und für ihn auch spürbar. Dennoch engagierte er sich weiter. Er setzte sich für diejenigen ein, die in der DDR keine Ansprechpartner fanden: Wehrdienstverweigerer, Ausreisewillige, Ausgegrenzte. Durch seine konsequente Haltung und die Einbindung der oppositionellen Gruppen in die Friedensgebete half er, den Weg zu den Montagsdemonstrationen in Leipzig zu ebnen.

Erst das Amt, dann die Stimme verloren

1991 wurde er gegen seinen Willen nach einem Schlaganfall in den Ruhestand versetzt. Eine Entscheidung, die ihm, der doch aktiv sein und sich einbringen wollte, viele Jahre zu schaffen machte. Andere erhielten für das, was er initiiert hatte, wofür er Benachteiligungen und Schikanen in Kauf nahm, Anerkennung und Ehrungen. Wie gesagt: das Leben ist leider nicht immer gerecht, und Zeitgenossen haben leider auch nicht immer die Größe, auf ihre Ehrungen zu verzichten, wenn sie eigentlich einem anderen zustehen würde.

Späte Ehrung

1995 erhielt er für sein Engagement das Bundesverdienstkreuz, und 2013 reichte der Europaabgeordnete Hermann Winkler an ihn und andere symbolisch den der EU verliehenen Friedensnobelpreis weiter. Das war eine schöne Geste, voller Symbolkraft und zugleich auch beschämend für die ihm bis dahin verweigerte Anerkennung.

Der Name seiner Dresdner Gemeinde steht quasi bildlich für sein Leben: sich im Weinberg abmühen - für jene, die Hilfe und Unterstützung brauchen, ohne zu wissen, ob das, was er tat, Früchte tragen würde, aber in der Gewissheit, dass es notwendig und sinnvoll war.

(Auszug aus dem Vorwort zu "Widerstehen. Pfarrer Christoph Wonneberger" mit freundlicher Genehmigung des Verlages)