20.01.2014 23:42 Alter: 7 yrs

Jahn für Schließung seiner eigenen Behörde

Roland Jahn spricht sich für eine Schließung seiner Behörde nach 2019 aus. Entscheidend aber sei, dass der Zugang zu den Akten möglich bleibe.


Stasi-Unterlagen

Jahn für Schließung seiner eigenen Behörde Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, spricht sich für eine Schließung seiner Behörde nach 2019 aus. Entscheidend aber sei, dass der Zugang zu den Akten möglich bleibe.

Von Sven Felix Kellerhoff

Behördenchefs, die den Fortbestand ihrer eigenen Institution infrage stellen, sind selten. Roland Jahn, der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, ist aber auch kein Karrierebeamter, der am Ende seiner Laufbahn eine Bundesbehörde leitet. Jahn war vielmehr schon immer ein Querdenker, ob als Regimegegner in der DDR oder als Fernsehjournalist in West-Berlin.

Jetzt sagt er in einem Interview mit der "Saarbrücker Zeitung" so klar wie nie zuvor, dass er sich die Schließung der Stasi-Unterlagen-Behörde (BStU) nach 2019 vorstellen kann.

Damit reagierte Jahn auf Forderungen unter anderem des Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger (SPD). Er hatte vor der Konstituierung des Bundestagskulturausschusses zugespitzt formuliert: "Während Vereine wie die Robert-Havemann-Gesellschaft, die wichtige Arbeit leisten, immer noch nicht stabil finanziert sind, soll eine zentrale staatliche Behörde Anrecht auf die Ewigkeit haben."

Jahn stellte klar, unter welchen Bedingungen eine Auflösung der BStU möglich wäre: "Entscheidend ist, dass der Zugang zu den Akten offen bleibt und dass die Aufklärung über die Diktatur weitergeht." Einen Schlussstrich dürfe es nicht geben, darauf hätten die Opfer des SED-Regimes Anspruch. Die Akten des früheren DDR-Geheimdienstes müssten auch nach dem Übergang in die zentrale Aufbewahrungsinstitution auf nationaler Ebene, das Bundesarchiv in Berlin und Koblenz, nach den Regeln des Stasi-Unterlagen-Gesetzes zugänglich bleiben.

Stasi-Akten sind keine Archivalien wie andere

Das bedeutet auch, dass die meisten Mitarbeiter der BStU natürlich weiter beschäftigt werden und ins Bundesarchiv übergehen. Gegenwärtig verfügt die Behörde noch über etwa 1550 Mitarbeiter und baut ihren Personalbestand weiter ab; zeitweise waren knapp 3200 Mitarbeiter dort beschäftigt. Zum Vergleich: Das Bundesarchiv, das mehr als dreimal so viele Akten verwahrt, verfügt über insgesamt etwa 700 Mitarbeiter.

Der größere Personalstamm ist notwendig, weil Stasi-Akten nicht Archivalien wie andere sind. Das Stasi-Unterlagen-Gesetz stellt fest, dass die Hinterlassenschaft der DDR-Geheimpolizei im Prinzip geschlossen sein sollen, mit genau definierten Ausnahmen für Betroffene und für Wissenschaft und Medien. Das setzt aber voraus, dass jedes Blatt jedenfalls aus den Akten seit Anfang der 60er-Jahre vor einer Einsicht einzeln datenschutzrechtlich geprüft wird; oft müssen Passagen geschwärzt oder Akten nur unvollständig vorgelegt werden.

Überprüfungen von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst

Jahn sprach sich auch dafür aus, dass Überprüfungen von Mitarbeitern im öffentlichen Dienst über den bislang gültigen Endpunkt 2019 hinaus möglich sein sollen. "Dass die Arbeitgeber die Möglichkeit haben, nachzuforschen, ob jemand über 30 Jahre lang gelogen hat, schadet niemandem", sagte er: "Diese Möglichkeit sollte deshalb beibehalten werden, es sollte aber keine Pflicht sein."

Eine Verlagerung der Akten in die Zuständigkeit des Bundesarchivs würde allerdings zwangsläufig zu einer Neuordnung der DDR-Aufarbeitung führen. Bisher hat die BStU unter ihrem Dach neben der Aktenverwahrung und -erschließung eine große Abteilung für Bildung und Forschung. Derlei inhaltlich arbeitende Mitarbeiter kann das Bundesarchiv nicht übernehmen.

Deshalb müssten die Mitarbeiter dieser Abteilung bei einer Verlagerung der Zuständigkeit für die Akten (die physisch sicher im Archivbau der einstigen Stasi-Zentrale in Berlin und den Außenstellen bleiben würden) einem neu zu gründenden Forschungsinstitut zugeschlagen werden. Das fordern schon seit Langem unabhängige Wissenschaftler, die den bevorzugten Aktenzugang der BStU-Forscher zu den Materialien als Ungleichbehandlung beklagen.

Verlagerung der Zuständigkeit zum Bundesarchiv

Zuletzt hatte es nach der Enthüllung der "Welt" 2007 über die Beschäftigung von Dutzenden ehemaligen Stasi-Mitarbeitern im Wachschutz, aber auch in anderen Abteilungen der BStU, eine größere Debatte über die Auflösung der Behörde gegeben.

Schon damals ging es nur um die Verlagerung der Zuständigkeit zum Bundesarchiv. Roland Jahn, seinerzeit noch Journalist beim RBB und moderater Kritiker der BStU-Chefin Marianne Birthler, hatte für einen solchen Weg mit Augenmaß plädiert. Doch die damalige große Koalition hatte sich dagegen entschieden.

Jetzt könnte der seit 2011 als Birthler-Nachfolger amtierende frühere DDR-Dissident diesen Weg einschlagen. In knapp fünf Jahren lässt sich die notwendige juristische und archivfachliche Vorbereitung sicher leisten.

Aus: Die Welt, http://www.welt.de/politik/deutschland/article123888711/Jahn-fuer-Schliessung-seiner-eigenen-Behoerde.htmlhttp://www.welt.de/politik/deutschland/article123888711/Jahn-fuer-Schliessung-seiner-eigenen-Behoerde.html15. 1. 2014, www.welt.de/politik/