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15.04.2016 11:09 Alter: 4 yrs

Bericht der Expertenkommission zur Zukunft der BStU veröffentlicht.

Der Abschlussbericht der Expertenkommission ist als Drucksache 18/8050 des Deutschen Bundestags im Internet abrufbar. Es gibt aber ein konträres Minderheitenvotum, das in der Drucksache enthalten ist.


18. Wahlperiode 05.04.2016
Bericht der Expertenkommission zur Zukunft der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) |
Abschlussbericht der Expertenkommission | Drucksache 18/8050 des Deutschen Bundestags

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Im einzelnen schlägt die Komission folgendes vor:

1. Die Stasi-Unterlagen werden unter den im Folgenden genannten Bedingungen bis zum Ende der nächsten Wahlperiode in das Bundesarchiv integriert.

Konkret bedeutet das:

  • Das Stasi-Unterlagen-Archiv soll vollständig mit eigenem Namen und mit sichtbarer Eigenständigkeit unter dem Dach des Bundesarchivs weitergeführt werden.
  • Die Akten verbleiben grundsätzlich in der Normannenstraße in Berlin-Lichtenberg bzw. in den Ländern.
  • Die Regelungen des StUG für den Umgang mit den Akten, also die Erteilung von Auskünften und die archivische Bearbeitung sollen weiter gelten, bis ein novelliertes BArchG die Vorschriften des StUG erübrigt.

2. Außenstellen des Bundesarchivs und politische-historische Bildung in den Ländern
Die Kommission erachtet eine administrative Zusammenlegung der BStU-Außenstellen in den Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen unter dem Dach des zukünftigen
eigenständigen Stasiunterlagenarchivs des Bundesarchivs als sinnvoll.

3. Nutzung des Geländes Normannenstraße/Magdalenenstraße,
u.a. Archiv des MfS, Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft, Ständige Ausstellungen

4. Wissenschaftliche Forschung
Die Kommission schlägt die Gründung einer selbstständigen „Forschungsstelle DDR-Staatssicherheit in vergleichender Perspektive“ vor.

5. Aufgaben und Profil der/des Bundesbeauftragten
Die Expertenkommission hält das Amt einer/eines Bundesbeauftragten weiterhin für erforderlich, da die Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur und ihren Folgen nach wie vor eine gesellschaftliche Bedeutung besitzt und von diesem Amt zudem eine symbolische Wirkung für die Weiterführung der Aufarbeitung ausgeht.
Die Expertenkommission schlägt deshalb neben den Empfehlungen zu Archiv, Forschung und der „Stiftung Diktatur und Widerstand“ vor, dem Amt der/des Bundesbeauftragten ein neues Profil zu geben.

Das Minderheitsvotum von Hildigund Neubert kritisiert insbesondere, dass die Mängel an der Arbeit der BStU mit der vorgeschlagenen Neuordnung nicht behoben, sondern neue geschaffen werden.

Sie nennt dabei u.a.:

  • Wartezeiten für Betroffene bei der Akteneinsicht
  • unverhältnismäßig großer Verwaltungsapparat
  • Normgerechte Lagerung der Unterlagen
  • Erschließung von Unterlagen
  • Digitalisierung

"Leider enthalten aber die Empfehlungen der EK keine Vorschläge, wie das zu beheben sei. Vielmehr schlägt die Mehrheit der EK die Zerschlagung der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Ministeriums
für Staatssicherheit der ehemaligen DDR vor. Den Nachweis, dass es dadurch, wie der Auftrag lautet, zu keiner Verschlechterung kommt, bleibt die Kommission allerdings schuldig."

Den vorgeschlagenen „Beauftragten ohne Akten“ nennt sie eine Fiktion:

"Symbole haben immer Anteil an dem, was sie symbolisieren. Die symbolische Bedeutung des BStU liegt in der weltweit erstmaligen Eroberung und Öffnung der Unterlagen einer diktatorischen Geheimpolizei im Rahmen einer demokratischen Revolution. Im Institutionengefüge der Bundesrepublik Deutschland repräsentiert der Beauftragte mit der Behörde die Friedliche Revolution als Ganzes, auch wenn sich diese darin natürlich nicht erschöpft – es ist eben auch „nur“ ein Symbol. Ein Bundesbeauftragter ohne Stasi-Unterlagen kann diese Repräsentation nicht ausfüllen."

Das Minderheitenvotum ist im Bericht mit abgedruckt.

Auch Stefan Hilsberg kritisiert das Ergebnis in einem Beitrag im politischen Feuilleton des Deutschlandradio (gesendet am 13.April 7.20 Uhr)

"Künftig wären also zwei Ansprüche zu erfüllen, ein modernes, öffentlich zugängliches Archiv zu schaffen, das zugleich als Symbol der revolutionären Wende gestaltet wird – nicht nur virtuell, sondern real als eigenständige Institution. Deren Bestände sind wahrlich nicht schöngeistiger Natur. Und dennoch - oder gerade deswegen - sei darauf verwiesen, es gäbe ja als Modell die Bundesstiftung Preußischer Kulturbesitz.    

Diese Dimension hat die Expertenkommission nicht erfasst. Ihre Empfehlungen sind allzu sehr von internen Problemen der heutigen Behörde des Beauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes beeinflusst. Sie hat bei allem Bemühen nicht nur das Thema verfehlt. Sie hat es gar nicht erst gesehen."

zum Betrag von Stefan Hilsberg